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32 Jahre nach Beginn des Fernsehens etabliert sich ein neuer Beruf im Bereich der audiovisuellen Medien: Der AV-Medienarchi- var bedient sich neuartiger Quellenträger.

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32 Jahre nach Beginn des Fernsehens etabliert sich ein neuer Beruf im Bereich der audiovisuellen Medien: Der AV-Medienarchi- var bedient sich neuartiger Quellenträger.

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Kein elektronisches Gerät hat unser derzeitiges Leben so einschneidend verändert wie das „Massenmedium“ Fernsehen. Das Fernsehen — in Österreich gerade 32 Jahre alt - hat bereits Geschichte gemacht, aber die Geschichte des Fernsehens ist noch nicht geschrieben worden.

Nachdem die Menschen in dieser Forschung bisher bestenfalls als Träger von Meinungsumfragen, als „Empfänger von Botschaften“ aufgetaucht sind, beginnen Soziologen und Kommunikationswissenschaftler allmählich, auch die Auswirkungen des Fernsehens auf den Alltag der Menschen zu erforschen.

Historiker hingegen tun sich nach wie vor schwer, Radio, Film und Fernsehen als Quellenmaterial in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Das liegt unter anderem an einem grundsätzlichen Problem: Die Geisteswissenschaften präsentieren bislang noch ihre Ergebnisse in sprachlich-verbaler Form. Die audiovisuellen Medien (AV-Medien) aber, deren Einfluß in einer Zeit des Übergangs von einer Schriftkultur zu einer visuell dominierenden Kultur ständig wächst, gehören mit zu dem großen Bereich der non-verbalen Kommunikation, also der schriftlich nicht direkt wiederzugebenden Information.

Bei der Quellenauswertung von Foto und Film beispielsweise müßten die Historiker ihre Resultate verbalisieren.

Versuche gibt es dennoch. Als Pionier unter den Zeitgeschichtlern darf der Wiener Universitätsprofessor Gerhard Jagschitz gelten, der als erster die Filmanalyse, die Tonrecherche und das Foto als Quelle für die Zeitgeschichte verwendet.

„Die Universität entdeckt mehr als früher, daß Film ein Thema ist“ , erklärt der Leiter des Historischen Archivs des ORF, Peter Dusek, diese Entwicklung, die er für unbedingt notwendig hält. Denn in einer Zeit der Überreizung durch die audiovisuellen Medien sind diese die maßgebliche, aber auch schwierige Quellengattung.

Dusek selbst ist in einem Bereich tätig, der dieser Erkenntnis Folge leistet. Das Historische Archiv des ORF entstand in Zusammenhang mit der Fernsehreihe

„Österreich II“ . Für historische Themen mußte der ORF bis dato immer auf fremde Archive zurückgreifen. Der Grund sei gewesen, so Dusek, daß man früher gedacht habe, Archivauswertung sei Luxus^

Für „Österreich II“ nun hat man viel Material aufgekauft und es auch sogleich auf EDV gespeichert. Dazu wurde 1983 ein eigenes Programm entwickelt. Inzwischen haben die Mitarbeiter des Historischen Archivs rund 24.000 Dokumente erfaßt, darunter inhaltlich auch solche aus den Jah ren 1950/51, die verlorengegangen sind.

Der ORF hat damit nicht nur einen neuen Archivtyp im eigenen Haus installiert, sondern auch der Neubildung eines Berufstypus, den man als Dokumentaristen bezeichnen könnte, Hilfestellung gegeben. Immer rascher haben sich die Informationsmedien ver-

ändert, von den Tonscherben zu den Buchrollen, über die Mönchshandschriften zu gedruckten Werken. Uber den Wandel des Umgangs mit solchen Medien bildeten sich einige Berufe aus, die heute einen hohen kulturellen

Stellenwert haben, deren Existenzberechtigung darüber hinaus unbestritten ist: Bibliothekare, Archivare, Museumsleute.

Da zwischen Print-Medien und AV-Medien einige strukturelle Unterschiede bestehen, die vor allem in den andersartigen Aufzeichnungsweisen, Archivierungsnormen, Zugriffsmöglichkeiten und Erschließungsmodellen liegen, scheint es nur logisch, daß im Umgang mit ihnen ein neuer Beruf entsteht, der des AV- Medienarchivars.

Was soll eine neue Berufsbezeichnung? Rainer Hubert von der österreichischen Phonothek (ÖPH), die seit über 25 Jahren Tondokumente sammelt, begründet: „Pragmatisch gesehen: wir leben in einer Welt voll Etiketten, in der Kenntnisse und Fertigkeiten oft weniger zählen als Zeugnisse, Berufsnachweise usw. Daher ist es auch nicht selten eher unbequem, eine Tätigkeit auszuüben, die wenig bekannt und anerkannt ist.“

In Österreich existieren aber zahlreiche Institutionen oder Fachabteilungen von größeren Einrichtungen, die sich in zentraler Weise mit AV-Medien beschäftigen, u. a. das Filmarchiv, das Filmmuseum, das Phonogrammarchiv, das Bild- und Tonarchiv Graz, die Landesbildstellen, Archivstellen des ORF, die ÖPH.

Die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Tätigkeitsbereiche finden sich im Gegenstand selbst: Geschriebenes beziehungsweise bedrucktes Papier büdet Mentaldenken ab, während die AV-Medien Dinge (und Wirklichkeit) analog wiedergeben. Sie halten Geräusche, Farben, Bewegungen fest, das heißt unsere physikalisch faßbare Umwelt.

Da hierfür eine eigene umfassende Grundausbildung notwendig ist, hat der Arbeitskreis „AV- Ausbildung“ des Wissenschaftsministeriums das Konzept einer AV-Grundausbüdung erarbeitet.

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