Werbung
Werbung
Werbung

Der "Falter" ist dreißig Jahre alt. Ein gereiftes Geburtstagskind, das noch immer wild sein kann.

Zwei Qualitätszeitungen gibt es in Österreich, die allwöchentlich erscheinen. Die eine ist die Furche. Die andere begeht dieser Tage ihren 30. Geburtstag: der Falter, die Stadtzeitung Wien/Steiermark. Der Untertitel freilich täuscht: Gewiss enthält der Falter einen ausführlichen Programmkalender, in dem so gut wie alle kulturellen Veranstaltungen der Bundeshauptstadt - und seit kurzem auch der Steiermark - aufgelistet sind, er liefert auch eine niveauvolle Lokalberichterstattung, aber er ist mehr als bloß eine Stadtzeitung. Er ist das Leitmedium eines linksliberalen bis linksalternativen Milieus, wie es vor allem in den Wiener Bezirken innerhalb des Gürtels gedeiht.

Entstanden ist der Falter aus der Bewegung rund um die Besetzung des Sankt Marxer Auslandsschlachthofes 1976. Folglich rekrutierte sich die Leserschaft des im Jahr darauf ins Leben gerufenen Blattes aus (Alt-)Achtundsechzigern und Angehörigen der aufkeimenden Grünbewegung. Diese Leser blieben dem Falter wohl zu einem guten Teil erhalten, obwohl er heute als Zentralorgan der "Bobos" gilt, der Bourgeois Bohemiens - der kreativen, gut ausgebildeten, manchmal sogar gut verdienenden, urbanen Individualisten.

Der Feind steht rechts

Dementsprechend ist die Perspektive jenes Teils der Falter-Berichterstattung, der über reine Lokalthemen hinausweist. Der Feind steht rechts, das ist klar. Über mehrere Jahre durfte kein Foto von Jörg Haider im Falter erscheinen. Das Phänomen Rassismus beziehungsweise der Kampf dagegen ist einer der Angelpunkte des Falter-Weltbildes. Der Linksdrall ist im Bereich Gesellschaftspolitik naturgemäß am spürbarsten. Aber auch sonst verschleiert der Falter seine Haltung nicht, die Leser erwarten jene ganz bestimmte Sicht der Dinge - gleich, ob sie sich damit identifizieren oder daran reiben wollen; wer wissen will, wie Österreichs linksintellektuelle Szene tickt, der braucht nur den Falter aufzuschlagen.

Dessen ungeachtet sind die Beiträge zu Politik und Kultur in der Regel von hohem Niveau: ausführlich, solide recherchiert, anspruchsvoll und dennoch meist gut lesbar. In seinem Leitartikel versucht Chefredakteur Armin Thurnher, der schon seit der Zeitungsgründung mit dabei ist, allwöchentlich in die Fußstapfen von Karl Kraus zu treten. Zu den journalistischen Säulen gehört auch die sich gegen Medienkonzentration und Gossenjournalismus richtende Medienberichterstattung. So schließt der einer gewissen Selbstverliebtheit nicht abholde Thurnher seinen Leitartikel stets mit einem Ceterum censeo: "Im Übrigen bin ich der Meinung, der Mediamil-Komplex muss zerschlagen werden." "Mediamil" ist eine Thurnher'sche Wortschöpfung, gemeint ist das Konglomerat aus Mediaprint (Kronen Zeitung, Kurier) den Kurier-Magazinen profil und trend und der News-Gruppe (News, Format & Co.). Viele kleine, mitunter höchst erheiternde Elemente sorgen dafür, dass die Leser den Falter lieb gewinnen: der "Dolm/Hero der Woche", "Gut - Böse - Jenseits" oder "Welt im Zitat". Seit 2005 erscheint der Falter auch in einer Steiermark-Ausgabe.

Hochmut bei Populärkultur

Die größten Mängel weist die Wochenzeitung ausgerechnet dort auf, wo man ihre größte Kompetenz vermuten würde: im Bereich Populärkultur. Hier regieren Hochmut und Dünkel. Mit einer "Wir haben die Weisheit mit Löffeln gefressen"-Attitüde wird alles, was nicht von einer sich als Elite begreifenden Clique goutiert wird, mit allergrößter Herablassung behandelt. Fast noch mehr als der FPÖ gehört die Verachtung des Falters dem "Mainstream". Aktuelle Musik, die dazu angetan ist, einer breiteren Hörerschaft zu gefallen, Filme, die nicht ausschließlich für eingefleischte Progammkinogänger gemacht sind, werden dem Leser, wenn überhaupt, nur naserümpfend zur Kenntnis gebracht. Im Bereich Film kommt noch hinzu, dass die Kritiken - im Gegensatz zum Rest des Blattes - grundsätzlich unlesbar sind: Hier geben Filmtheoretiker hoch elaboriertes, aber selbst für interessierte Normalbürger unverständliches Zeug von sich.

Doch bald könnte sich vieles ändern: Dem Blatt steht ein Relaunch bevor, in dessen Zuge sich der Falter nicht mehr nur als Stadtzeitung, sondern als "europäische Wochenzeitung aus Wien" positionieren will. Wie orakelte Thurnher vorige Woche in seinem Leitartikel?: "Treue Leserschaft, zieh dich warm an!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung