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Unter dem Himmel von Paris

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Wir sahen Puccinis „La Boheme“ zuletzt mit Bühnenbildern von Stefan Hlawa und Kostümen von Erni Kniepert. Nun brachte Karajan die populäre Oper in der Ausstattung und Inszenierung der Scala durch Franco Zeffirelli nach Wien. Sein Stil, dem Verismo von Text und Musik entsprechend, ist der eines veredelten lyrischen ‘ Realismus. Das erste und das letzte Bild (Mansarde) sahen wir in ähnlicher Ausstattung wie in früheren Aufführungen hier und andernorts. Das dritte Bild an der Zollschranke von Paris, eine weite trostlose Winterlandschaft, geriet ihm mehr russisch als französisch, es hätte auch in „Katja Kabanova“ Vorkommen können. Seinen großen Trumpf spielt Zeffirelli mit dem Quartier Latin aus: ein großräumiges, in zwei Etagen aufgebautes Bühnenbild, im „unteren Stock“ — zunächst von fünf Kramwagen verstellt, die bald zur Seite geschoben werden — das Café Momus, darüber ein kunstvoll belebtes Straßenbild mit im Hintergrund mächtig aufragenden fünfstöckigen Zinshäusern: im ganzen eine optisch und räumlich bestens gelungene Lösung. Zeffirelli schafft seinen Sänger-Schauspielern Platz und weiß diesen gut zu nutzen: seine Spielleitung ist wohldurchdacht, abwechslungsreich und lebendig. Das von Marcel Escojfier milieuecht ausgestattete Ensemble war erstklassig. Die junge Mirella Freni agierte und sang mit ihrem ungewöhnlich ausdrucksvollen, eher dunkel timbrierten Sopran eine feine und ernste Mimi, die in Gianni Raimondo einen fast ebenbürtigen Partner fand. Was ihm an Poesie fehlt, ersetzt er durch freundliche Bonhomie und eine ebenso bewegliche wie wohlklingende Stimme. Die Genossen seiner fröhlichen Armut — Giuseppe Taddei als Musiker, Rolando Panerai als Maler und Ivo Vinco als Philosoph nahmen ebenso. durch ihr zwanglos-heiteres Spiel wie durch tadellosen Schöngesang ein. — Hilde Güden in prunkvoller roter Robe hat, nach den vielen Mimis, die sie immer wieder gespielt hat, die leichtfertig-lustige Musette offensichtlich Spaß gemacht — und dem Publikum nicht weniger. — Aus dem Orchesterraum, wo Herbert von Karajan am Pult stand, stieg eitel Wnhlklang: opalisierende Klänge, zarte Kantilenen und kräftige dramatische

Akzente, wo sie hingehören. Vor etwa 25 Jahren schrieb ein berühmter Kritikerkollege: „Die Boheme ist recht dazu angetan, die rein künstlerische Kultur eines Dirigenten, sozusagen dessen musikalische Umgangsformen, sehen zu lassen.“ Sie sind, wir wissen es, bei Karajan die besten und soigniertesten. Sie zeigen sich vor allem in der diskreten Begleitung sowie in der Art, wie die zuweilen banalen Oktavverdoppelungen Puccinis entschärft werden und die wie feine Mixturen klingen. Lebhaftester und langanhaltender Beifall nach jedem Akt für alle Beteiligten, besonders für Mirella Freni und den Maestro Karajan.

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