Fremdenzimmer im Gemeindebau

Werbung
Werbung
Werbung

"Steinhauers Gustl klopft faschistische Sprüche, hat das Herz am rechten Fleck und ist nur deswegen so grauslich, weil er sich eigentlich nach Liebe sehnt."

Bekanntlich sind Fremdenzimmer für Gäste vorgesehen. Peter Turrini spielt mit dem Kompositum, das aus der Mode geraten ist. Denn das Bild des willkommenen Fremden, für den stets ein Zimmer bereit steht, wird von der Angst vor dem Asyl suchenden Fremden überschattet. Turrini, seit Jahren Hausautor an der Josefstadt, widmet sich der Frage nach den Zuschreibungen, die der aktuelle politische Diskurs vorgibt. Und hier dominiert Fremdenfeindlichkeit, die viele gesellschaftliche Schichten durchdringt.

Der Autor blickt in seinem Drei-Personenstück in eine Wiener Gemeindewohnung. Die düsteren Räume sind geteilt -das Paar Gustl Knapp und Herta Zamanik verbindet vielmehr eine Wohn-als eine Liebesgemeinschaft. Die beiden reden längst nur mehr das Nötigste miteinander, dementsprechend hat Turrini zwei Monologe verfasst. Sein Gustl orientiert sich an Helmut Qualtingers "Herr Karl". Wie aus einer "Alltagsgeschichte" von Elisabeth T. Spira verkörpert er den Prototypen eines FPÖ-Wählers, der darüber klagt, dass die Sozis keine Sozis mehr sind. Gustl war Briefträger, der in Frühpension entlassen wurde, weil er angeblich kyrillische Adressen nicht lesen und so die Post nicht zustellen konnte. Nun klopft der frustrierte ehemalige Postler rechte Parolen und deutet den Hitler-Gruß an.

Turrini zeigt Stereotypen

Auch Herta ist Pensionistin -die Arbeit als Kellnerin war hart und weit von ihren früheren Träumen entfernt, auf die Turrini in Karaoke-Auftritten anspielt. Sie singt zu ABBA "The Winner Takes It All" und blickt auf ihr ereignisloses Leben. Die Freude an der Musik ist der Rest einer hoffnungsfrohen Jugend am Klopeiner See, wo ihr die Zukunft noch vielversprechend erschien. Doch ein Wiener Filou hat ihr den Kopf verdreht, sie geschwängert und ist dann auf und davon. Wie auch ihr Sohn, der mit 17 verschwand. Nun wartet sie seit Jahrzehnten auf ihn, vertreibt sich die Zeit an Spielautomaten und hofft auf seine Rückkehr. Für ihn ist das "Fremdenzimmer" in der Gemeindewohnung vorbereitet. An dessen statt taucht ein junger Syrer namens Samir auf, der bei ihnen Zuflucht sucht.

Tamim Fattal spielt diese Katalysator-Rolle, blickt devot auf das Geschehen im Gemeindebau und ist nichts als Projektionsfläche. Mit ihm verbrät Turrini sämtliche Klischees vom muskulösen Araber, der sich um jeden Preis integrieren möchte. Aus Solidarität trinkt er ein Bier, Gustl lobt ihn: "Bravo, Samir. Volle Integration!" Bei der Uraufführung gab es Szenenapplaus. Wer der geflüchtete Mann ist, bleibt bedeutungslos. Er kommt zwar kurz zu Wort, erzählt (auf Englisch) vom Tod der Familie in seiner Heimatstadt Darayya sowie von der Flucht über das Meer, bei der er beinahe ertrunken wäre. Fassungslos hört ihm das Paar zu, verstehen können sie ihn nicht.

Turrini zeigt Stereotypen, Abziehbilder der vom Leben enttäuschten "kleinen Leute", die ungefragt politische Parolen übernehmen, wenn es darum geht, Sündenböcke zu finden. Am Ende bietet Samir dem Paar die Chance, einander neu zu begegnen, doch um welchen Preis?

Cremeschnitte und Faschismus

Die Empathie gilt nicht dem Schutzsuchenden, sondern dem xenophoben Gustl, dem typischen Opportunisten, der realiter alles andere als harmlos ist. Für ihn entwickeln Turrini und sein Uraufführungs-Regisseur Föttinger Sympathie und Verständnis. Auch Erwin Steinhauers Interpretation ist weit von der Abgründigkeit dieses Mitläufers entfernt. Er gibt vielmehr den larmoyanten Wiener, der an Diabetes und Bluthochdruck leidet, sich hie und da eine Cremeschnitte gönnt, vom Fliegen und vom Pratergasthaus träumt und mit Modellflugzeugen spielt. Er klopft faschistische Sprüche, hat das Herz am rechten Fleck und ist nur deswegen so grauslich, weil er sich eigentlich nach Liebe sehnt.

Ulli Maier zeigt eine manchmal mädchenhafte Herta voller Hoffnung und Lebensfreude, dann wieder eine gestandene, mutige Frau, die nur darauf gewartet hat, endlich wieder für jemanden sorgen zu können.

Was mit Samir passiert, bleibt offen. Auf jeden Fall hat er Gustls und Hertas Liebesbeziehung wieder in die Gänge gebracht und damit als Aphrodisiakum reüssiert. Die letzte Szene hat Föttinger als Groteske inszeniert, in einem imaginierten Flugzeug entkommen alle drei in eine andere Wirklichkeit.

Turrinis als Volksstück deklariertes Drama fehlt es an Schärfe und satirischer Kraft. Die Verhältnisse sind weichgespült, man hat sich mit Verharmlosungen arrangiert. Wie die Tagesaktualität beweist, können in einem Liedtext mehr unfassbare Gräuel liegen, als es ein Theaterabend auszudrücken vermag.

Fremdenzimmer Theater in der Josefstadt, 7., 14. Feb.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung