Zwiegespraech - © Foto: © Susanne Hassler-Smith

„Zwiegespräch“ von Handke: Kein Platz für Altersdemut

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„Zwiegespräch“ von Peter Handke wird im Akademietheater als freches Mehrgenerationenstück inszeniert.

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„Zwiegespräch“ von Peter Handke wird im Akademietheater als freches Mehrgenerationenstück inszeniert.

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Vor Peter Handke gibt es momentan kein Entkommen. Sein 80. Geburtstag ist von Neuerscheinungen, Buchbesprechungen, Porträts und nun noch einer Uraufführung flankiert. Mit Spannung wurde die Inszenierung von „Zwiegespräch“ am Akademietheater erwartet, am Premierenabend ist das Haus bis zum letzten Platz gefüllt. Was lässt sich aus dem nicht ganz 70-Seiten dünnen Band, gewidmet den Schauspiellegenden Otto Sander und Bruno Ganz, für die Bühne herausholen? Handke verzichtet darin gänzlich auf Rollenzuschreibungen und szenische Vorgaben, sein Text ist eine poetische, politische und streckenweise sehr persönliche Reise durch die Geschichte. Erzählt werden Kindheitserinnerungen, Film- und Theatererlebnisse, enttarnte Kriegs- und Heldenmythen.

Für die Inszenierung der feinsinnigen Gedankengefechte hat sich Martin Kušej die Regisseurin Rieke Süßkow geholt. Die Berlinerin war hierzulande bisher vor allem in der freien Theaterszene tätig, jüngst wurde sie mit dem Nestroy-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Statt sich auf Handkes Vorlage auszuruhen, entnimmt Süßkow daraus die stärksten Passagen (sowie Musiktipps) und gießt diese in ein freches Mehrgenerationenstück voller schwarzhumoriger Anspielungen. Gleich zu Beginn läuft ein kleiner Junge mit Taschenlampe über die Bühne, eine sperrige Ziehharmonikawand entfaltet sich ächzend, Topfpalmen zieren das sterile Setting, alles ist in ein gelbliches Licht getaucht.

Fünf Senioren (zu den drei Protagonisten Hans Dieter Knebel, Branko Samarovski und Martin Schwab gesellen sich noch zwei Statisten) werden vom beflissenen Pflegepersonal auf die Bühne gekarrt, Maresi Riegner balanciert ein Tablett mit Urnen an ihnen vorbei. Beklemmende Stimmung macht sich breit, die fünf Alten sind zum „Reise nach Jerusalem“-Spiel eingeladen. „La Paloma“, die Hymne der Nachkriegsgeneration, erklingt, und schon muss der Erste die Bühne verlassen, aber zuvor noch alle seine Habseligkeiten abgeben. Die werden von Elisa Plüss und Riegner sorgfältig geputzt und in die Kitteltaschen gesteckt. Stückchenweise erobern sich die jungen Schauspielerinnen immer mehr Raum. Sogar die mäandernden Großväter-Erzählungen reißen Plüss und Riegner an sich. Den verbliebenen Text müssen sich die drei Herren mit einer vorlauten Souffleuse teilen. Hier ist wirklich kein Platz für Altersdemut. Nur Schwab widersetzt sich am Ende dem perfiden Auszählspiel. Für ihn ist ein schimmerndes Totenbett angerichtet, dem er schnaufend mit den Worten „Wir haben kein Recht auf Ruhe. Unsereiner hat auf Ruhe kein Recht“ entflieht.

Handke-Kennern und Handke-Fans wird diese Inszenierung sicher sauer aufstoßen. Süßkow zerlegt die Erzählkaskaden des Nobelpreisträgers mit frischer Nonchalance. Was bleibt, sind ausdrucksvolle Bilder, die einen ebenso irritierenden wie inspirierenden Eindruck hinterlassen.

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