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Abt Gregors Schöpfung

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Ein mittelalterliches Benediktinerkloster auf dem Monte Gargano im nördlichen Apulien steht seit kurzem im Mittelpunkt der Aktivitäten des Forschungsinstituts für Realienkunde am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Feldforschungen in der weiträumigen Ruinenanlage der Abtei SS. Trinitä auf dem Monte Sacro in der

italienischen Provinz Foggia und gleichzeitig Texteditionen der Werke ihres zehnten Abtes Gregor sollen die Bau- und Kulturgeschichte des Klosters untersuchen.

Abt Gregor war ein Zeitgenosse Kaiser Friedrich II. (1194-1250)und mit diesem wahrscheinlich auch persönlich bekannt. Er war der bedeutendste mittelalterliche Dichter Apuliens. Geboren zwischen 1187 und 1192, wurde er nach Lehrjahren in Rom, England und Paris 1220 Abt der bedeutenden Abtei SS. Trinitä. Einer Bauinschrift zufolge betätigte er sich dort schon in den ersten Jahren seiner Abtstätigkeit als Bauherr.

Gregors Hauptwerk ist jedoch literarischer Art und besteht unter anderem aus einem in lateinischer Sprache verfaßten Lehrgedicht mit dem Titel „De hominum deification". Dieses Gedicht, in zwei Handschriften im Vatikan aufbewahrt, ist in sieben Bücher unterteilt, in denen die sechs Schöpfungstage nachvollzogen werden. In Gedichtform wird dabei das Wissen der Zeit über Flora, Fauna, Geographie, Astrologie, Physik und Geschichte ausgebreitet.

Gregor erweist sich dabei nicht nur als ein Meister der Poetik, sondern auch als profunder Kenner des Wissens seiner Zeit. Eine Einführung in das Leben und die Schriften des Abtes Gregor wurde kürzlich zusammen mit einer ersten Teiledition seiner Werke veröffentlicht.

Da mit der Auswertung der historischen Quellen erst begonnen wurde, ist zur Geschichte der Abtei noch relativ wenig bekannt. Auf dem Monte Sacro wurde erstmals 1058 in einer Bulle des Papstes Stephan IX. eine von S. Maria di Calena bei Peschici abhängige „cella" erwähnt. Im 12. Jahrhundert kommt es dann zu längerdauernden Streitigkeiten mit Calena um die Unabhängigkeit des Konvents, 1138 wird das Kloster auf dem Monte Sacro jedoch als unabhängige Abtei genannt und 1198 wird diese Unabhängigkeit von Papst Innozenz III. bestätigt.

Unter Abt Gregor erlangte die Abtei auf dem Monte Sacro in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre höchste Blüte. Sie führte die Aufsicht über 31 Kirchen und sechs Priorate, was auf eine entsprechende wirtschaftliche Infrastruktur deutet. Daneben war das Kloster ein bedeutender Wallfahrtsort, da sich in seinem Besitz eine große Anzahl von Reliquien, darunter ein Stück vom Mantel des im Gargano besonders verehrten Erzengels Michael, befanden.

Unmittelbar nach dem Tod Gregors (zwischen 1241 und 1248) erlebt die Abtei einen abrupten Niedergang, bis sie 1481 dem Bistum Monte St. Angelo/Manfredonia unterstellt wird. Die Archivalien wie auch möglicherweise die Bibliothek von Monte Sacro verbrannten 1620 bei einem Türkenüberfall auf Manfredonia. Dies ist vermutlich ein Grund dafür, daß die Abtei auf dem Monte Sacro und ihr Abt Gregor im Dunkel der Geschichte verschwanden.

Die Ruinen der Klosterabtei, in

Sichtweite zum Wallfahrtsort Monte St. Angelo gelegen, sind heute nur über einen steilen Bergpfad nach einer halbstündigen Wanderung zu erreichen. Im Gipfelsattel des Monte Sacro, 840 Meter über dem Meer, erstreckt sich der im ganzen umfriedete Gebäudekomplex auf ein Areal von etwa 120 auf 80 Meter.

Der engere monastische Bereich bestand aus einer dreischiff igen Basilika mit Vorhalle, wo sich wertvolle Bauskulpturen und Freskenreste erhalten haben, einem Kreuzgang, zwei Türmen, dem Dormito-

rium und Refektorium mit Latrinenanlagen, einem Innenhof, einer Kapelle und einer Küche mit Kräu-tergärtchen. Weitere Gebäudekomplexe wirtschaftlichen Charakters schließen sich an.

Räumlich abgesetzt von dieser Hauptanlage findet sich ein weiterer kleiner Gebäudekomplex mit einer Kapelle und mehreren Gebäuden, deren Entstehungszeit und Funktion bislang noch unklar sind. Seit 1988 werden vom Germanischen Nationalmuseum Feldforschungen in der weiträumigen Ruinenanlage durchgeführt. Bis-

lang-lassen sich zwei Bauphasen des Kirchenmittelschiffs rekonstruieren, von denen die zweite mit der Einziehung eines Tonnengewölbes in Zusammenhang steht. Die Kirche ist von zwei Einstürzen im 15. und 17. Jahrhundert in Mitleidenschaft gezogen worden, die in Zusammenhang mit historisch belegten Erdbeben in Apulien stehen. Grabfunde im Mittelschiff beweisen zudem eine Nutzung der Anlage über das historisch belegte Ende der Abtei im Jahre 1481 hinaus.

Die Autorin ist Mitarbeiterin am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

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