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Andreotti im Kreuzfeuer

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Wer sowohl rechts wie links steht und deshalb in keines der gängigen politischen Lager einzuordnen ist, setzt sich dem Geschrei der Vereinfacher aus: Sie halten für einen Charaktermangel, was weniger simplen Köpfen einfach der Verstand bietet. So ergeht es jetzt Giulio Andreotti, dem italienischen Christdemokraten, der 40 Jahre italienischer Demokratie mit allen ihren Stärken und Schwächen mitgeprägt hat.

Andreotti selbst nennt es „mündliches und schriftliches Banditentum", was sich jetzt an Verdächtigungen und unbewiesenen Anschuldigungen gegen ihn erhebt: Zunächst aus Anlaß der Enthüllungen über die siziliani-sche Mafia und den betrügerischen Bankrotteur Michele Sin-dona, dann wegen seiner Aktivitäten als Außenminister — ohne daß zwischen beidem ein sachlicher Zusammenhang erkennbar wäre.

Den einzigen hat Andreotti selbst hergestellt: Schließlich habe er den Auslieferungsvertrag mit den USA zustandegebracht, der Sindona der italienischen Justiz überantwortete. Auch den Vorwürfen, die der Sohn des ermordeten Anti-Mafia-Generals Dalla Chiesa erhebt, kann Andreotti einen Brief des Generals vom September 1979 entgegenhalten, in dem dieser dem damaligen Regierungschef für Zufuhr von politischen „Sauerstoff" dankt.

Soviel und sowenig vom Staub, den Italiens Skandale aufwirbeln, an Politikern allemal hängenbleibt, dahinter werden vor allem Machtspiele sichtbar. So als letzte Woche über 50 Abgeordnete der Koalitionsparteien gegen Andreotti stimmten und ihren Außenminister nur deshalb nicht zu Fall bringen konnten, weil sich die kommunistische Opposition der Stimme enthielt.

War das die Prämie für den Mann, der 1976 die Kommunisten in die Regierungsmehrheit aufgenommen hatte? Oder nur ein Versehen von Genossen, die vergaßen, daß Andreotti damals ihre „Machtergreifung" verhinderte? Der Fehler ist korrigiert. Jetzt verlangt auch die KPI den Rücktritt des Ministers „aus moralischen Gründen".

Aus „außenpolitischen Gründen" hingegen eifern Italiens Sozialdemokraten und Liberale gegen den Minister — fast so heftig wie jüngst deutsche Christdemokraten, als er gegen zwei deutsche Staaten nichts, doch etwas gegen den „Pangermanismus" einzuwenden hatte. Sein Versuch, der Außenpolitik Roms Profil zu geben und im Mittelmeer wie zwischen Ost und West Bündnistreue nicht mit passivem und kritiklosem Verhalten gleichzusetzen, mißfällt vielen.

Selbst in München wurden Unterschriften gesammelt unter einem Plakat: „Deutschland zweigeteilt — Nein! Andreotti viergeteilt — Ja!" Derlei Kannibalisches meinte der Italiener wohl, als er „Undiplomatisches" über die Deutsche Frage von sich gab.

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