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„Ariane" unterwegs

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„Die Amerikaner wissen, wie man eine Rakete startet, die Russen wissen, wie man eine Rakete startet, und wir Europäer wissen es nicht", schrieb ein Pariser Kommentator, nachdem am 15. Dezember der Start der ersten europäischen Trägerrakete Sekunden vor dem „Liftoff' abgebrochen werden mußte. Als der neuerliche Countdown am 23. Dezember noch einmal verzögert wurde, mag sich bei den vielen Skeptikern das erste schadenfrohe Lächeln breitgemacht haben - aber am 24. Dezember um 17 Uhr 14 Minuten und 38 Sekunden war es soweit: Europa hatte seine mächtige Weihnachtskerze entzündet und die Voraussetzung geschaffen, das nordamerikanische Raumfahrtsmonopol zu brechen. „Ariane" stieg zur erfolgreichen Mission in den tropischen Himmel über dem Raumfahrtzentrum im Kourou (Französisch-Guyana).

Skepsis und Desinteresse hatten nicht nur die sieben Jahre Entwicklung dieses ersten von französischen Technikern geleiteten europäischen Raumfahrtprojektes, den Countdown seit dem ersten Oktober des Vorjahres und die beiden Startunterbrechungen begleitet - auch die in allen Punkten den Anforderungen entsprechende Mission, die am 24. Dezember begann, fand in den europäischen Medien geringes Echo. Nichts spiegelte die Zuversicht wider, die unter der „Ariane"-Mannschaft im Raumhafen von Kourou - auch nach dem Zwischenfall vom 15. Dezember - herrschte: 600 in Kourou stationierte, seit Jahren für „Ariane" gedrillte Techniker und Facharbeiter und an die 200 vor allem aus Frankreich eingeflogene Startspezialisten waren überzeugt, daß es klappt.

Auch am Sitz der europäischen Raumfahrtagentur ESA (European Space Agency) in Paris ist man vom „Ariane"-Projekt überzeugt: Obwohl der Terminplan für die komplizierten

Einzeltests der drei Stufen nicht eingehalten werden konnte, und sich der erste von vier Qualifikationsflügen (LO 1) um sechs Monate bis Weihnachten 1979 verzögerte, wird der Startplan für die nächsten drei im Jahre 1980 eingehalten.

Diese Raketen der „Ariane 1"-Serie - für Nutzlasten um 1500 Kilogramm, 208 Tonnen schwer, beim Start 47 Meter hoch - werden bereits Satelliten auf eine geostationäre (über einem bestimmten Punkt der Erde „aufgehängt") Umlaufbahn bringen: LO 2 befördert die kleinen Satelliten „Firewheel" zum Studium der Magnetosphäre und „Oscar 9" für den Amateurfunk; LO 3 bringt „Meteosat 2", einen Wettersatelliten, und „Apple", einen TV-Testsatelliten auf ihre Bahn; LO 4 befördert „MARECS A" für den Funk zwischen Hochseeschiffen und Küste.

Bei diesen Qualifikationsflügen wird wie bei LO 1 ein Instrumentenpaket mit in den Umlauf geschossen, das über die Flugbahn selbst Daten zu den Bodenstationen in Guyana, Brasilien, Südafrika, im Pazifik und in der BRD schicken wird.

1981 beginnt die Profiphase für Ariane 1. Von dieser Serie erwarten sich die Firmen der beteiligten zehn Länder (Belgien, BRD, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz, Spanien) einen saftigen Happen am weltweiten Satellitengeschäft - auch arabische Länder oder Indonesien bauen bereits Satelliten - der achtziger Jahre.

200 Satelliten, schätzen die Fachleute, werden in diesem Jahrzehnt zum Abschuß kommen. 30 bis 50 davon, hofft man bei der „Arianespace", die als Industriekonsortium das Arianeprojekt übernimmt, sobald die Entwicklunsphase (für welche die ESA verantwortlich zeichnet) abgeschlossen ist, werden vom Raumhafen in Kourou abgeschickt. Dann sollen sich die 9,5 Milliarden Schilling,

die bisher aufgewendet worden sind (Frankreich trägt mehr als die Hälfte, dann kommen die BRD und Großbritannien und die anderen Beteiligten, wobei die Kosten in Form von Industrieaufträgen in die jeweiligen Länder zurückfließen) für die Raumfahrtindustrien der zehn Länder bezahlt machen.

Keineswegs abgeschlossen ist aber mit der operationalen Phase der Ariane 1 die Entwicklung der europäischen Trägerraketenfamilie. Ariane 2 und Ariane 3, für 83/84 geplant, sollen Nutzlasten bis zu 2350 Kilogramm auf geostationäre Position bringen; Ariane 4 (84/85) bereits 3300 Küogramm; Ariane 5, mit einer wiederverwendbaren ersten Stufe für die neunziger Jahre erdacht, kann Lasten bis zu 10.000 Kilogramm und schließlich auch eine Kapsel für Raumfahrer ins All schießen.

Gehen diese europäischen Träume mit eigenem Knowhow und eigenen Raummannschaften in Erfüllung, so wird sich Westeuropa im lukrativen Weltraumgeschäft etablieren können. Für den idealen Raumhafen in Französisch-Guyana - mit seiner Äquatornähe als Startplatz können von dort bei gleichem Schub 17 Prozent mehr Nutzlast als vom Kennedy Space Center aus transportiert werden - bedeutet dies einen kräftigen Ausbau. Die klimatisierten Wohnblocks in Neu-Kourou werden dann noch mehr aus Europa importierte Fachkräfte aufnehmen.

Und während die elegante Enklave der Raumfahrtstadt im Dschungelland (das bei einer Einwohnerzahl wie Klagenfurt kaum größer als Österreich ist) wächst, wird das kreolische Alt-Kourou mit seinen Bretterhütten weiter in der regengesättigten Tropenschwüle dahindösen. Unberührt vom Raumfahrtzeitalter, das ihm nur ein paar neue Straßen und steigende Lebensmittelpreise beschert hat.

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