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„Biblia pauperum“

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Die Meinungen gehen diametral auseinander: die einen halten Zefirellis Jesus-Film für unzumutbaren Kitsch, die anderen sehen in ihm ein pastorales Ereignis. Dazwischen gibt es viele Nuancen der Ablehnung oder Zustimmung. Wer hat recht?

Ich möchte sagen: alle! Es kommt auf den eigenen Standpunkt an. Der theologisch Gebildete, der spirituell Anspruchsvolle mag diesen Film ablehnen. Er hat sich sicherlich in den Kartagen intensiv mit dem Geschehen um Golgotha befaßt, er braucht diesen Füm nicht.

Wer den Film selbst bejahte, aber an dem ausdruckslos-schönen Gesicht Jesu Anstoß nahm, konnte bei der Ablehnung stehenbleiben. Wurde er aber dadurch zur Frage nach dem eigenen Jesus-Bild veranlaßt, dann hatte der Film bereits seine Berechtigung bewiesen. Dann war er Denkanstoß, Diskussionsgrundlage.

Ich glaube, daß selten so viel

über diesen Jesus von Nazareth gesprochen wurde, wie in dieser Karwoche in Österreich.

Geben wir uns keinen Illusionen hin. Die Worte des Evangeliums sind weithin unbekannt geworden, keine theologischen Abhandlungen machen sie so schnell wieder populär. Das gelingt sieben Stunden Fernsehfilm rascher. Der Füm ist eine „biblia pauperum“ von heute, denn auch wir sind theologische, religiöse Analphabeten geworden. Auch die Bildersprache des Mittelalters war nicht für die spirituelle Elite gedacht, sondern für die Analphabeten.

Daß Zefirelli das Vorbild seines Jesus nicht bei Grünewald, bei Michelangelo, sondern bei den „Nazarenern“ gesucht hat, mag manchen stören. Aber ist es nicht ebenso Zefirellis Recht, seine eigene Jesus-Vorstellung zu investieren?

Gewiß, es wäre wünschenswert gewesen, die zarte Unterspielung wie in der Verkündigungsszene in allen vier Teüen durchzuhalten. Weniger wäre oft mehr gewesen. Aber wer kann mehr als stammeln, wenn er in seiner Sprache Jesus, den Gekreuzigten, den Auferstandenen verkündigt?

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