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Brehms Tierleben im Ehe-Alltag

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Bereits an anderer Stelle habe ich mehrfach ausgeführt, daß es ein gerne in Anspruch genommenes Privileg großer Denker ist, ihren Namen einem von ihnen entdeckten oder postulierten Gesetz voranzustellen.

Dies trifft auch in diesem Falle, dem „Dritten Sattlerschen Gesetz” zu. Sollten Sie die beiden anderen - das „Erste” und das „Zweite Sattlersche Gesetz” - nicht kennen: macht nichts; zum Verständnis des „Dritten” ist dies nicht zwingend nötig.

Sattlers „Drittes” ist im Vergleich zu den beiden vorhergegangenen Gesetzen trivial; es lautet in der Kurzfassung: „Mit dem Fortschreiten der Zeit wachsen die Tiere.” Das hört sich auf den ersten Ton überaus banal an, es bedarf daher der Erläuterung.

Sicher ist auch Ihnen schon einmal aufgefallen - vielleicht haben Sie sogar eigene leidvolle Erfahrungen dieser Art machen müssen! - daß sich Liebende gemeinhin mit den albernsten Kosenamen belegen. Sieht man von „Zuckerstückchen” und „Röschen” und dergleichen mehr ab, handelt es sich in fast 90 Prozent der Fälle um läppisch-neckische Tierbezeichnungen.

Da wimmelt es nur so von dümmlich-putzigen Kleintieren, von „Häschen” und „Täubchen”, von „Schmu-sebärchen” und „Herzensschwein-chen”, von „Kälbchen” und „Katerchen”, von „Spatzilein” und „Würmchen”. Dieser ganze debile Schmusezoo hält aber - und eben das definiert sich durch das „Dritte Sattlersche Gesetz” - nur eine relativ eng begrenzte Zeit vor. Je länger eine Beziehung dauert, eventuell gar in eine Ehe mündet, umso größer und derber werden die dem Partner zugedachten tierischen Einordnungen.

Sehr schnell wird da aus dem „süßen Kälbchen” geschlechtsspezifisch entweder eine „blöde Kuh” oder ein „dämlicher Ochse”; aus dem „Zukkerwürmchen” wird eine „falsche Schlange”. Ging der Jüngling als „mein geliebtes Teddybärchen” durch den Honigmond der jungen Liebe, mutiert er nach dem „Sattlerschen Gesetz” mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang- meistüberkurz!-zum plumpen und groben „Nasenbären” oder „Rhinozeros”.

Das schnuckelige „Täubchen” wird zum „albernen Huhn” und - Brehm her oder hin - nicht selten verwandelt sich ein „süßes Goldhamsterchen” in ein ausgewachsenes Höckertier, das sattsam bekannte „blöde Kamel” oder endet als der landläufige „alter Affe”! So mancher „liebe kleine Schnuckel-hase” ward zu einem mit prächtigem Geweih gezierten „dämlichen Hirschen”, dem freilich der Kopfputz erst nach der stattgehabten Vermählung mit der vormals „ranken und schlanken Gazelle” - heute eine tortenverschlingende behäbige Elefantenkuh! - gewachsen ist, beziehungsweise aufgesetzt wurde.

Das „süße Spätzchen” verwächst sich oft binnen Jahresfrist in eine „dämliche Schnepfe” oder ein „triebgesteuertes doofes Sumpfhuhn”. Und aus dem „geliebten Mäuschen mit den so putzigen süßen Nagezähnchen” wird, so leid es dem Chronisten tut, in nicht wenigen Fällen dieordinäre „alte Ratte”! Und daß aus einem „rosigen Schweinchen” eine „fette Sau” zu werden vermag, das kann Ihnen sogar jeder grunztierzüchtende Bauer bestätigen, ohne jemals im Leben vom „Dritten Sattlerschen Gesetz” gehört oder gewußt zu haben!

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