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Damit die Werke weiter ihre Meister loben können

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Zyniker mögen auf die Neutronenbombe hoffen. Diese neue Wunderwaffe befördert bekanntlich nur die Lebewesen des Zielbereiches ins Jenseits, läßt aber Häuser und Gegenstände nahezu unversehrt. Im - von niemandem gewünschten - Falle zukünftiger bewaffneter Auseinandersetzungen ist aber eher mit einer konventionellen Kriegführung zu rechnen. Das bedeutet für unzureichend geschützte Kulturgüter - seien es ganze Siedlungsgebiete, Gebäudegruppen, einzelne Bauwerke, Sammlungen oder bestimmte Gegenstände - die Gefahr der Zerstörung. Was für Vorsorgemaßnahmen werden in Österreich auf diesem Gebiet getroffen?

1954 wurde auf Initiative der UNESCO in Den Haag die „Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten” beschlossen. Österreich ist ihr 1965 beigetreten. Das österreichische Konventionsbüro im Bundesdenkmalamt, geleitet von Dr. Marian Farka, hat die große Aufgabe, die Kulturgüter zu erfassen und nach ihrer Bedeutung zu gruppieren, eine Bergung beweglicher und eine Siche rung fester Kulturgüter vorzubereiten, entsprechendes Fachpersonal dafür zu finden und in Evidenz zu halten sowie Verbindung zu den Streitkräften, zu den Landeskonservatoren und Besitzern der wichtigsten Kulturgüter zu halten, um im Frieden wie im Ernstfall koordinierend wirken zu können.

Was die Dokumentation, das Erfassen der Kulturgüter, betrifft, so sind in den letzten Jahren ungeheure Fortschritte gemacht worden; die Sammelranglisten im Bundesdenkmalamt enthalten bereits über 40.000 Eintragungen, die Zentralkartei (Alarmkartei) umfaßt rund 14.000 Karteikarten,, und von mehr als der Hälfte des Bundesgebietes liegen Kulturgüterschutzkarten vor, Landkarten mit genauer Eintragung von Kulturschätzen. Die vom Konventionsbüro organisierte Kennzeichnung der Kulturgüter mit den internationalen blauweißen Schutzzeichen - gemäß der Haager Konvention - ist für Kulturgüter der zwei wichtigsten Gruppen in sechs Bundesländern abgeschlossen; die restlichen drei - Salzburg, Tirol und Wien - sollen nun in Angriff genommen werden. Noch im Vorbereitungsstadium sind die Pläne zur raschen und sachgerechten Verlagerung mobiler Kunstschätze in geeignete Bergungsräume.

Bei der Bergung von Kulturgütern ist die Mitwirkung von Soldaten des Bundesheeres vorgesehen. Daher findet seit dem Vorjahr in der Wiener Wilhelmkaseme jährlich ein Kurs für Offiziere und Reserveoffiziere statt. Die hier uhtergebrächte Luftschutztruppe erhält eine Spezialausbildung in Sachen Kulturgüterschutz.

Eine willkommene Gelegenheit, eine Bergungsaktion probeweise durchzuführen, bot sich den Soldaten anläßlich der Verlagerung der Ephesos-Sammlung des Kunsthistorischen Museums aus Kellerdepots ins Mittelgeschoß der Neuen Hofburg, wo im nächsten Frühjahr das bedeutendste Ephesos-Museum auf dem Kontinent eröffnet werden soll. Diese Aktion verlief allerdings „verkehrt”: Man transportierte aus dem Keller heraus statt in diesen hinein.

Oberst Roman Schlauss, Kommandant der Luftschutztruppenschule, erzählt nicht ohne Stolz von der Mitwirkung seiner Einheit bei dieser Bergungsaktion für ein „Weltwunder” (der Artemistempel in Ephesos zählt bekanntlich zu den Sieben Weltwundern): „Zwei Offiziere, vier Unteroffiziere und 40 Soldaten des Grundwehrdienstes waren dabei am Werk. Die Aktion wurde unter Verantwortung und wissenschaftlicher Beratung des Kunsthistorischen Museums durchgeführt. Die Transportmittel stellte das Bundesheer, einen großen Transportturm aus Metallsegmenten sowie einen 40-Tonnen-Kran hat die Berufsfeuerwehr der Bundeshauptstadt beigegeben. Eine Zusammenarbeit, die sich auch im Ernstfall bewähren könnte.”

Bereits seit einigen Jahren wird im Bundesheer jeder Soldat mehr oder weniger umfangreich über militärischen Kulturgüterschutz belehrt, wie Hofrat Dr. Kurt Ragas vom Wehrp’oli- tischen Büro des Verteidigungsministeriums betont. Der Soldat soll lernen, Kulturgüter zu respektieren, mit den wichtigsten Punkten der Haager Konvention vertraut werden.

Ihre Feuerprobe soll die Haager Konvention im Nahost- und Vietnamkrieg relativ erfolgreich bestanden haben. Natürlich bleiben Zweifel, ob im Ernstfall Kulturgüter respektiert werden, wenn es dem .militärischen Vorteil widerspricht, ob nicht womöglich’ eine Partei sich - was streng verboten ist!- in Kulturbauten verschanzt, wo die andere Partei sie nicht vermutet oder nicht ohne Hemmungen anzugreifen bereit ist. Bei solchen groben Verletzungen der Konvention wäre die Anwendung der Neutronenbombe zumindest verständlich. Ansonsten sollte man sich aber nicht auf sie verlassen. Nicht einmal als Zyniker.

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