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Totalschutz für den Vatikan

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Als einziger Staat der Welt steht der Vatikanstaat in seiner Gesamtheit auf der weltweiten Liste des zu schützenden Kultur- und Naturerbes.

Zugegeben: Selbst im Vergleich mit dem Pyrenäenstaat Andorra, ja sogar neben Monaco ist der Vatikanstaat nur die Miniaturausgabe eines souveränen Ländchens. Doch nicht seine territoriale Winzigkeit war dafür ausschlaggebend. Der 1929 durch die Lateranverträge seine Unabhängigkeit erlangt habende Kirchenstaat mit dem über dem Grab des Apostel Petrus errichteten Petersdom, den berühmten Kunstsammlungen und der Sixtinischen Kapelle nimmt noch eine weitere Ausnahmestellung ein.

Als einzigem Staat der Welt stehen bis auf die Villa Barberini und den päpstlichen Sommerpalast in Castel Gandolfo in den AlbanerBergen auch seine exterritorialen Besitzungen auf der Liste des Welterbes. Dazu gehören die auf italienischem Staatsgebiet liegende römische Bischofskirche San Giovanni in Laterano, die großen Pilgerkirchen Santa Maria Maggiore aus dem 475. Jahrhundert mit Mosaiken aus der Erbauungszeit und San Paolo fuori la Mura, die Sammlungen von Büchern und Dokumenten in den Bibliotheken und Archiven des Lateranpalastes und im Palazzo de Propaganda Fide von Borronimi und Bernini.

Wie sich Kardinal Alfons M. Stick-ler, Teilnehmer des Salzburger Symposions der Österreichischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz, gemäß der eben erschienenen Publikation „Das kulturelle Erbe im Risiko der Moderne” (Schriften der Österr. Gesellschaft für Kulturgüterschutz, Schriftenreihe „Sicherheit & Demokratie”, 1993, Hrsg. Gerhard Sladek) erinnert, hat sich die Kirche von Anfang an um den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten bemüht und deshalb an den Vorbereitungen zur Konstituierung der Haager Konvention teilgenommen.

Beigetreten ist sie allerdings erst 1958. Schließlich konnte der Heilige Stuhl - seit 1870 nicht mehr Gebieter über die Ewige Stadt und den bis dahin weit nach Mittelitalien reichenden Kirchenstaat - nicht alle Bedingungen erfüllen, die als Voraussetzung für die Gewährung des Kulturgüterschutzes bei bewaffneten Konflikten gelten.

Ausnahme Militärzwecke

Diesen Sonderschutz gesteht die Haager Konvention den Kulturgütern nämlich bloß dann zu, wenn sie sich in ausreichender Entfernung von einem großen Industriezentrum, einem wichtigen militärischen Ziel, einem Flugplatz, einem Rundfunksender, einem für die Landesverteidigung arbeitenden Betrieb, einem verhältnismäßig bedeutenden Hafen oder Bahnhof sowie einem Hauptverkehrsweg befinden.

Keinen Sonderschutz räumt die Haager Konvention außerdem einem Bergungsort ein, der zu militärischen Zwecken, zur Beförderung von Militärpersonal oder Kriegsmaterial genützt wird. Ausnahmen gestattet sie, sobald sich der Vertragspartner verpflichtet, im Falle eines bewaffneten Konfliktes keinen Gebrauch davon zu machen.

Nun war es dem Vatikan zwar möglich, derlei für seine Radiostation, den Vatikanbahnhof, die aus rund 95 Mann bestehende Schweizer Garde und die Palatina zuzusagen, nicht jedoch für Institutionen im Nahbereich des italienischen Areals entlang der Via Aurelia. Nach mehreren Anfragen seitens der UNESCO garantierte die italienische Regierung innerhalb dieses Abschnittes, auf jegliche kriegerische Aktion beziehungsweise Einrichtung zu verzichten.

Damit waren die Bedingungen und Zugeständnisse des Sonderschutzes für den ganzen Vatikanstaat erfüllt und 30 große Nationen - darunter Großbritannien, Frankreich, die Sowjetrepublik und deren Bruderstaaten - erklärten sich zur Genugtuung des Heiligen Stuhls bereit, im Falle von bewaffneten Auseinandersetzungen den kompletten Vatikanstaat zu achten und zu schützen.

Als im September 1980 das historische Zentrum Roms auf Ansuchen der italienischen Regierung auf die Liste des 1972 gegründeten Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt gesetzt wurde, schlug das 21köpfige UNESCO-Komitee Italien vor, die Grenzen dieses historischen Herzstückes der Ewigen Stadt auch auf die Region des Giannicolo-Hügels und des Borgo, also das Viertel zwischen Tiber und Vatikan, auszudehnen.

Das legte natürlich nahe, den Vatikanstaat ebenfalls in die Weltliste aufzunehmen, was dann 1984 während der Generalversammlung in Buenos Aires tatsächlich geschah und als ein Höhepunkt in der Geschichte dieser Konvention bewertet wurde.

Nun fehlte bloß die Auflistung auch der exterritorialen Güter des Vatikans. Dieser letzte Schritt verlangte aber eine längere Vorbereitung, weil erst eine Reihe von Fragen des internationalen Rechts geklärt werden mußten.

Schließlich traten sowohl der Heilige Stuhl als auch Italien damit gemei-sam an die UNESCO heran, und so ist seit Dezember 1990 der Beschluß, die außerhalb des Vatikanstaates gelegenen Kulturgüter des religiösen und staatlichen Zentrums der katholischen Kirche als Kultur- und Naturerbe von universellem Wert zu behandeln, rechtskräftig.

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