7074966-1993_14_18.jpg
Digital In Arbeit

„Rotes Kreuz" für die Kulturgüter

19451960198020002020

Traurig aber wahr: Die Effizienz des Kulturgüterschutzes ist aus kunsthistorischer und rechtlicher Sicht äußerst schwach. Nicht nur im Fall bewaffneter Konflikte, sondern auch in Friedenszeiten.

19451960198020002020

Traurig aber wahr: Die Effizienz des Kulturgüterschutzes ist aus kunsthistorischer und rechtlicher Sicht äußerst schwach. Nicht nur im Fall bewaffneter Konflikte, sondern auch in Friedenszeiten.

Werbung
Werbung
Werbung

So wurden während des Golfkrieges einerseits einzelne Bestandteile des Irakischen Nationalmuseums in Bagdad, andererseits Kulturdenkmäler Kuweits zerstört, und im Rahmen der Kampfhandlungen in Kroatien griffen die Serben bewußt und systematisch Gotteshäuser, Museen und Sammlungen an, um die kulturelle Identität des Landes (Volkes) zu treffen.

Jedes Mal, da wie dort, dienten die an Bau-, Kunst- oder geschichtlich bedeutenden Denkmälern religiöser und weltlicher Art, an archäologischen Stätten, Bibliotheken und Museen angebrachten blau-weißen Schilder der 1954 von den Vereinten Nationen beschlossenen Haager Konvention - dem „Roten Kreuz der Kulturgüter" - ganz offensichtlich geradezu als Zielscheiben des jeweiligen Gegners.

Dabei zählt das ehemalige Jugoslawien länger noch als Österreich zu den Signatarstaaten der Haager Konvention und des 1972 konstituierten „Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt", einer weiteren Einrichtung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Im Unterschied zur Haager Konvention macht sich diese ausschließlich für die Erhaltung von Denkmälern von „universellem Wert" stark. Bislang entschied sie sich für nicht mehr als 330 Objekte, die solchem Anspruch entsprechen, und trug sie in eine Liste ein.

Auf dieser Liste sind unter anderen der kanadi sehen Nationalpark Nahan-ni, die peruanische Ruinenstadt Ma-chu Picchu, die Dome von Aachen und Speyer, der komplette Vatikanstaat, der wildreiche Ngorongorokra-ter in Tansania, das Tadsch Mahal und die Chinesische Mauer sowie die Altstadt von Dubrovnik zu finden. Was das seit November 1992 dem Abkommen beigetretene Österreich auf seine Vorschlagsliste stellen wird, ist noch nicht ausdiskutiert.

Doch auch die Zugehörigkeit zum europäischen Binnenmarkt schafft

Probleme. Wohl wird Österreich ab dem Zeitpunkt seiner Mitgliedschaft zum EWR das Ausfuhrverbotsgesetz ebenso wenig außer Kraft setzen wie die unterschiedlich strenge Schutzmaßnahmen handhabenden „alten" EG-Staaten.

So weist Deutschland ein Verzeichnis mit etwa 500 Objekten auf, die nicht außer Landes gebracht werden dürfen. Italien sieht mehr als drei Millionen Gegenstände als mit Exportverbot belegtes „patrimonio naziona-le" an. In Großbritannien entscheidet ein Ausschuß je nach Situation. In Irland ist nur die Ausfuhr archäologischer Gegenstände von besonderem Interesse untersagt. In Griechenland sind sämtliche archäologischen Gegenstände aus der Schaffenszeit vor 1453 und alle Kunstgegenstände bis

(Bundesdenkmalamt)

1830 Eigentum des Staates.

In Österreich gilt das Ausfuhrverbot für Gegenstände historischer, kunsthistorischer oder kultureller Bedeutung, ausgenommen die Werke lebender Künstler oder solcher, deren Tod nicht mehr als 20 Jahre zurückliegt. Eine Ausfuhrbewilligung wird unter Umständen dann erteilt, wenn der Besitzer seine finanzielle Notlage nachweisen kann und im Inland den angestrebten Preis nicht erhält.

Dessenungeachtet wird infolge des fast ungehinderten grenzüberschreitenden Reiseverkehrs das Ausfuhrverbotsgesetz immer wieder verletzt. Fallen in Zukunft Waren- und Personenkontrollen an den Staatsgrenzen überhaupt weg, sollte nach Meinung zuständiger hoher Beamter schon aus Solidaritätsgründen das Gesetz der Rückerstattung international angewendet werden. Bislang ist nach Auftauchen eines ins Ausland geschmuggelten Kulturgutes im Regelfall die öffentliche Hand eingesprungen.

Auch im Zusammenhang mit den in die BRD ausgeführten Geweihmöbeln aus dem Jagdschloß Neuberg an der Mürz. Die aus Konsole, Sitzmöbeln, kleinen Stühlen, einem runden Marmortisch mit Geweihfüßen und einem Regal bestehende Ausstattung des Herrenzimmers von Kaiser Franz Josephs steirischem Jagdschloß war seit den Tagen der Ersten Republik im Besitz der Bundesforste. 1987 tauchte sie bei einer Auktion in München auf.

Der Versteigerungs-Katalog gelangte in die Hände der Kustoden des Kunsthistorischen Museums, die davon das Bundesdenkmalamt verständigten. Dieses wieder setzte sich mit dem Wissenschaftsministerium in Verbindung. Die Folge: Das Ministerium kaufte die Möbel zurück. Zur Zeit werden sie im Museum für angewandte Kunst restauriert.

Anschließend kommen die als Rarität gehandelten Einrichtungsgegenstände wieder nach Neuberg und werden entsprechend einer Fotodokumentation aus dem Jahr 1940 arrangiert. Wie und wann das einzige erhalten gebliebene Ensemble von Geweihmöbeln des 19. Jahrhunderts aus dem museal genutzten Jagdschloß entwendet worden war, vermochte die Kriminalpolizei nicht mehr zu ermitteln.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung