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Mehr Konsequenz beim Naturschutz

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Österreich – ein Umweltmusterland: So ist wohl unser Selbstverständnis. Aber kommen wir auch unseren internationalen Verpflichtungen nach?

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Österreich – ein Umweltmusterland: So ist wohl unser Selbstverständnis. Aber kommen wir auch unseren internationalen Verpflichtungen nach?

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Beginnen wir mit dem „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“, jener Konvention, der Österreich erst jüngst beigetreten ist. Über diese Konvention sollen die bedeutendsten Natur- und Kulturdenkmäler der Welt geschützt werden. Bislang gibt es rund 370 dieser „World Heritage Sites“, eingetragen in der „Liste des Erbes der Welt“. Zu ihnen zählen unter anderem die Na-, tionalparks Yellowstone, Se-rengeti und Everglades, die Viktoriafälle, der Tadsch Mahal, die Pyramiden von Ägypten, Venedig und seine Lagune, der Domplatz von Pisa sowie die historischen Zentren von Rom, Florenz und St. Petersburg.

1972 wurde die Welterbe-Konvention beschlossen und seit jenem Jahr zahlte Österreich auch brav seine Beiträge – ohne jedoch Mitglied des Übereinkommens zu sein. Viele Gründe mußten dafür herhalten, daß das mit Natur-und Kulturschätzen gesegnete Österreich nicht beitrat. Erst im Dezember 1992, 20 Jahre nach Beschließung der Konvention, bequemten sich unsere Politiker, doch bei der UNESCO die Beitrittsurkunde zu hinterlegen – jedoch mit einer beschämenden Einschränkung.

So vertritt Österreich nun in einer eigenen Erklärung die Auffassung, „daß die Verpflichtung des Übereinkommens, alle vorsätzlichen Maßnahmen zu unterlassen, die das im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten befindliche Kultur- und Naturerbe schädigen könnten, sich nur auf so che Güter des Kultur- und Naturerbes anderer Staaten bezieht, die in der ,Liste des Erbes der Welt‘ aufgenommen wurden“. Und was ist mit den anderen Natur- und Kulturdenkmälern? Möchte sich Österreich deren Schädigung vorbehalten – etwa durch Luftschadstoffe?

Kommen wir zum nächsten Übereinkommen – der Ramsar Konvention. Sie wurde

1971 unterzeichnet, um international bedeutende Feuchtgebiete – insbesondere für Wasser- uiid Watvögel – vor der fortschreitenden Schmälerung beziehungsweise ,dem Verlust zu bewahren. Österreich hinterlegte 1982 seine Beitrittsurkunde und erklärte den Neusiedler See, die Do-nau-March-Aueri, die Untere Lobau, die Stauseen am Unteren Inn und das Rheindelta des Bodensees zu österreichischen Feuchtgebieten internationaler Bedeutung (das Pürgschachener Moor und das Sablatnigmoor wurden später in diese-Liste aufgenommen). Doch trotz des internationalen Schutzstatus können es einige unverbesserliche Spitzenpolitiker immer noch nicht lassen, mit einem Kraftwerk bei Hainburg zu liebäugeln.

UNWIRKSAMER SCHUTZ

Nun zur Berner Konvention, die 1979 zur Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume beschlossen wurde. Österreich trat 1983 dem Übereinkommen bei, jedoch bestehen immer noch größte Defizite bei der innerstaatlichen Umsetzung, da bis dato die Bestimmungen der Konvention nicht vollinhaltlich in die Landesgesetze eingearbeitet wurden. Deshalb werden nach wie vor die Lebensräume wildlebender Fauna und Flora durch exzessiven Straßenbau, die Errichtung landschaftszer-störender Wasserkraftwerke, den immer noch praktizierten Flußreguherungsmaßnahmen sowie den überhandnehmenden Schotter- und Kiesabbau zerstört.

Der Bonner Konvention ist Österreich nicht beigetreten. Sie wurde 1979 zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten unterzeichnet. Über dieses Übereinkommen, das 1983 in Kraft trat, sind zum Beispiel der Osterluzei-falter, der Eisvogel, der Schwarzstorch und der Luchs geschützt. Alles Arten, die auch bei uns gefährdet, beziehungsweise sogar vom Aussterben bedroht sind.

1993 wäre für Österreich der geeignete Anlaß gewesen, zumindest zum zehnjährigen Jubiläum dieser Konvention beizutreten. Die diesbezügliche Aufforderung der Natur-und Umweltschutzorganisationen wurde jedoch mit dem Argument abgeschmettert, daß hierfür kein Geld in der Staatskassa sei. Aber für umweltbeeinträchtigende Autobahnen, Schnellstraßen und Hochgeschwindigkeitsbahnen – Stichwort: Pyhrn, Semme-ringtunnel – lassen sich jederzeit MiUiarden auftreiben. Und wenn dafür außerbud-getäre Geldquellen erschlossen werden müssen. Wie war's, wenn als Gegenstück zur ÄSFINAG (Autobahnen-und Schnellstraßen-Finanzie-rungsAG) die NUFINAG (Natur- und Umweltschutz-FinanzierungsAG) gegründet werden würde?

Jetzt aber zu einem der größten Desaster österreichischer Naturschutzpolitik – dem Washingtoner Arten-schutzübereinkommen. 1973 unterfertigt, seit 1975 in Kraft, regelt es den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen. Österreich hinterlegte 1982 seine Beitrittsurkunde. Doch aufgrund der innerstaatlichen Kompetenzverteilung ist die Umsetzung der Konventionsbestimmungen kaum gegeben: Mit der Vollziehung des Bundesgesetzes ist in erster Linie das Wirtschaftsministerium betraut, das naturgemäß größtes Interesse am florierenden Handel hat; für die Zollangelegenheiten ist das Finanzministerium zuständig; die wissenschaftlichen Agenden fallen in die Kompetenz der neun Bundesländer.

Dem tropischen Regen-wald entrissen, geschwächt und verletzt von der langen Reise über Kontinente, verfängt sich das Tier der ohnedies schon vom Aussterben bedrohten Art zu „guter“ Letzt noch im Netz des österreichischen Kompetenzen-Dschungels.

SCHUTZ DER ALPEN

Zu den jüngeren internationalen Naturschutzübereinkommen zählen die Konvention zum Schutz der Alpen (1991) und die Konvention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt (1992). Beide Übereinkommen hat Österreich unterzeichnet; nur ratifiziert hat es noch keines von beiden. Stattdessen hört man nur süße Absichtserklärungen wie „Wir werden, wir wollen... “. Den EU-Beitritt kann unsere Regierung kaum erwarten – beim Naturschutz hingegen unternimmt sie bei weitem nicht derartige Anstrengungen – trotz der Tatsache, daß täglich 50 Arten unwiederbringlich aussterben.

Generalsekretär von „Alliance for Nature"

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