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Semmeringbahn und Stephansdom

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Wird das Pariser Komitee der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt das Wahrzeichen Wiens, den Dom zu St. Stephan, demnächst auf seine Liste der weltweit geschützten Objekte setzen?

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Wird das Pariser Komitee der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt das Wahrzeichen Wiens, den Dom zu St. Stephan, demnächst auf seine Liste der weltweit geschützten Objekte setzen?

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Oder wird es - wie beim Kölner Dom - die Meinung vertreten, das „Nationale Heiligtum” zähle nicht zu den gleich phänomenalen Wunderwerken gotischer Baukunst wie zum Beispiel Nötre Dame oder die Saint Chapelle in Paris oder die mit allen Höhen und Tiefen Frankreichs verbundene Krönungskirche von Reims?

Im Wissenschaftsministerium als jener Schaltstelle zwischen Außenministerium, Denkmalamt und Bundesländern, an das seit Ratifizierung des im November 1992 unterzeichneten Staatsvertrages zur Konvention des Welterbes die Ländervorschläge über ihre Kultur- und Naturschätze zu adressieren sind, hofft man auf eine positive Entscheidung.. ,

Große Chancen auf eine Akzeptanz gibt man der Vorstellung der Steiermark, daß sowohl die 1848 bis 1854 von Ghega erbaute Semmering-Bahn als auch die komplette Grazer Altstadt auf die Weltliste kommen werden. Schließlich ist auch die Semmering-Bahn die erste Gebirgsbahn Europas. Und sie ist die erste, die in Rampen planmäßig Täler aus- und Gebirgsrücken umfährt, um zum Scheitelpunkt zu kommen. Bis heute gibt diese reine Adhäsionsbahn das Vorbild für alle Gebirgsbahnen der Welt ab.

Die 1,16 Quadratkilometer große Grazer Altstadt mit Schloßberg, Renaissance-Landhaus, Dom und Mausoleum Kaiser Ferdinands II. stellt hingegen die umfangreichste Altstadt des deutschsprachigen Raumes dar.

Ob die Salzburger Altstadt mit ihrer international berühmten Silhouette der Hohensalzburg und den Kuppeln und Tünnen ihrer vielen barokken Kirchen letzten Endes Graz den Rang abläuft, wird sich zeigen.

Wünschenswert wäre es, wenn man beide - die Mozartstadt ebenso wie die Stadt an der Mur - in die Gesellschaft etwa der deutschen Hansestadt Lübeck, der Ruinen von Mexiko, Petra (Jordanien), Baalbek (Syrien) und Karthago (Tunesien), der Chinesischen Mauer, des Tadsch Mahal oder der Schweizer Klöster von St. Gallen und St. Johann (Müstair) aufnehmen würde.

Eishöhlen und Neusiedlersee

In der Konvention heißt es: „Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur und Naturerbes sowie seine Weitergaben an künftige Generationen sicherzustellen. Er wird hiefür alles in seinen Kräften stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem.wissenschaft-lichem und technischem Gebiet.” (Artikel 4).

„Unter voller Achtung der Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich das in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Kultur- und Naturerbe befindet, und unbeschadet der durch das innerstaatliche Recht gewährten Eigentumsrechte, erkennen die Vertragsstaaten an, daß dieses Erbe ein Welterbe darstellt, zu dessen Schutz die internationale Staatengemeinschaft als Gesamheit zusammenarbeiten muß.” (Artikel 6, Absatz 1)

Anzunehmen ist, daß man in Paris bei den als Naturerbe angekündigten „Highlights” weniger Entscheidungsschwierigkeiten haben wird, als bei der Architektur. Vorgeschlagen haben die Länder jedenfalls den Nationalpark Hohe Tauern mit den Krimra-ler Wasserfällen, die Dachstein-Höhlen mit der größten unterirdischen Eislandschaft Mitteleuropas, der Rieseneishöhle, und der eisfreien Mammuthöhle sowie den Neusiedler See, gleichermaßen schutzbedürftig als Steppensee wie als Vogelparadies -Landschaften also, die dem Wortlaut von Artikel 2 entsprechen.

Raum für bedrohte Tiere

„Als Naturerbe gelten Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen und aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellen Wert sind.ferner „geologische und physiographische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebilde, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden” sowie „Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellen Wert sind.”(Artikel 2)

Noch im Ungewissen ist man sich im Wissenschaftsministerium, ob man schon jetzt zwei oder drei weitere architektonische Juwele auf die Vorschlagsliste setzen oder ob man das erst in einem Intervall von zwei oder drei Jahren machen soll, was der Praxis der meisten Signatarstaaten entspricht.

Ins Leben gerufen wurde die Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt 1972 als Ergänzung zu der 1954 ebenfalls von der UNESCO gegründeten Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten im Hinblick darauf, daß unsere Denkmäler religiöser oder weltlicher Art, unsere archäologischen Stätten, ästhetisch, ethnisch oder historisch wertvollen Objekte - Bildwerke ebenso wie Bücher und Manuskripte - aber auch Berge, Wälder und Seen - nicht nur durch Kriege gefährdet sind.

Welterbe wird geschmälert

Nicht nur heute und in jüngster Vergangenheit. Bewußt zerstört beziehungsweise geraubt hat die Menschheit das Gut des anderen, so lange man Geschichte überblicken kann. Man denke nur an Alexander den Großen, die Hunnen, Napoleon, das NS-Regime und die Sowjet-Soldateska.

Beschlossen hat die UNESCO dieses Übereinkommen deshalb auch im Wissen darum, daß das Kulturerbe in unseren Tagen primär durch den Zahn der Zeit wie auch durch den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, durch Massentourismus und Umwelteinflüsse, Finanznot und Profilierungssucht traditionsloser Politiker gefährdet ist.

Seine Vernichtung, Verstümmelung oder Verschandelung stellt eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt dar und sollte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden.

Die Spannbreite der Möglichkeiten reicht von gemeinschaftlicher Unterstützung finanzieller und technischer Art bis zu Sanktionen des Zivil- und Handelsrechtes, des internationalen Privat-, Völker-, Prozeß-, Verwal-tungs- und Verfassungsrechts des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes und Strafrechtes.

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