Einen Schatz für morgen sichern

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Seit fast 30 Jahren stellt die UNESCO hervorragende Stätten als Weltkultur- und Weltnaturerbe unter Schutz. Wer in Büchern mit Bildern des Welterbes blättert, kann nur staunen: Welche Schönheit der Natur tut sich da kund! Wie vielfältig ist das, was Menschen über die Jahrtausende hinweg geschaffen haben! Was die internationale Gemeinschaft zum Schutz dieses durchaus bedrohten Erbes unternimmt, lesen Sie im folgenden Dossier.

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Seit fast 30 Jahren stellt die UNESCO hervorragende Stätten als Weltkultur- und Weltnaturerbe unter Schutz. Wer in Büchern mit Bildern des Welterbes blättert, kann nur staunen: Welche Schönheit der Natur tut sich da kund! Wie vielfältig ist das, was Menschen über die Jahrtausende hinweg geschaffen haben! Was die internationale Gemeinschaft zum Schutz dieses durchaus bedrohten Erbes unternimmt, lesen Sie im folgenden Dossier.

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Abu Simbel, das 3.000 Jahre alte Denkmal der Machtfülle des ägyptischen Pharaos Ramses II., sollte unter den Wassern des Assuan-Staudamms, der zwischen 1959 und 1970 errichtet wurde, verschwinden. Weltweit große Aufregung. Archäologen aller Länder zerbrachen sich die Köpfe, was man zur Rettung des Denkmals tun könne. Einer der Vorschläge: Rund um die kolossalen Skulpturen eine Art riesiges Glashaus anlegen, in das die Besucher zur Besichtigung unter die Wasser des Stausees gelangen sollten. Den Felsentempel an eine höher gelegene Stelle zu transferieren, erschien unmöglich.

Nach einem Appell der ägyptischen und sudanesischen Regierung beschloss die UNESCO, die UNO-Organisation für Wissenschaft, Bildung und Kultur, 1959, eine internationale Kampagne zur Rettung von Abu Simbel zu starten. Und tatsächlich wurde die gesamte Anlage in Teile zerlegt und auf einem 58 Meter höher gelegenen Gelände wieder zusammengesetzt. 50 Länder wirkten an derAktion - sie kostete 80 Millionen Dollar - mit. Das Geschehen trug wesentlich zur Entstehung des Bewusstseins bei, dass es eine gemeinsame internationale Verantwortung gibt, herausragende kulturelle Erbstücke zu erhalten.

Dieses Bewusstsein war Auslöser für die Initiative, eine Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes der Welt ins Leben zu rufen. 1965 wurde das Anliegen auf den Schutz von Landschaften ausgedehnt. Ein entsprechender Vertragsentwurf wurde der UNO-Umwelt-Konferenz 1972 in Stockholm unterbreitet, und sie beschloss die "Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" (Welterbe-Konvention), die 1975 in Kraft trat und bisher von 147 Staaten unterzeichnet worden ist.

Mitgliedsländer der Konvention haben nun die Möglichkeit, besondere Natur- und Kulturgüter zur Eintragung in die "Liste des Welterbes" vorzuschlagen. Um in diese Liste aufgenommen zu werden, müssen Kulturstätten von außergewöhnlichem, universellem Wert, einzigartig und historisch echt sein. Beim Naturerbe entscheidet die natürliche Schönheit, das Vorhandensein gefährdeter Pflanzen- und Tierarten sowie das wissenschaftliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen natürlichen Raumes. Das international besetzte "Komitee für das Erbe der Welt" prüft die Vorschläge und entscheidet über die Aufnahme in die Liste.

Ursprünglich sah die Konvention zwei Kategorien von Welterbestätten vor: das Naturerbe, zu dem einzelne Gebilde, ganze Formationen oder größere geographische Räume zählen können und das Kulturerbe, zu dem Denkmäler, Ensembles von Gebäuden oder Städte erklärt werden können. 1992 führte das Welterbe-Komitee eine dritte Kategorie ein: die "Kulturlandschaft".

Derzeit umfasst die von der UNESCO geführte Liste des Welterbes 690 Stätten in 122 Ländern. 529 von ihnen sind Kulturdenkmäler.

Was bringt nun die Erklärung zum Welterbe eigentlich für das Objekt? Zunächst die Anerkennung seiner außergewöhnlichen Bedeutung. Das bedeutet nicht nur Interesse des Tourismus und weltweites Ansehen, sondern vor allem Schutz der Staatengemeinschaft, der zu länderübergreifender Unterstützung, zur Bereitstellung finanzieller und technischer Hilfe führen kann. Der Fonds für das Erbe der Welt kann für solche Zwecke Mittel flüssig machen. Er wird aus Mitgliedsbeiträgen und Zuwendungen - allerdings eher dürftig - gespeist.

Ein Beispiel für solche Hilfe ist das an der dalmatinischen Küste gelegene Dubrovnik. Seit 1979 als eine der ersten Stätten Teil des Welterbes wurde es im Gefolge der kriegerischen Auseinandersetzungen in Kroatien 1991 in die Liste des gefährdeten Welterbes (Siehe Seiten 14-15) aufgenommen. Von der UNESCO unterstützt, hat die kroatische Regierung in den Jahren danach zerstörte Dächer, Fassaden von Klöstern und Palästen, dieses reiche Erbe aus Gotik, Renaissance und Barock, wiederhergestellt. Mittlerweile wurde Dubrovnik aus der "roten Liste" der UNESCO gestrichen.

Mit dem Beitritt zur Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, das auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Welterbe für künftige Generationen zu schützen und anderen Ländern bei Bedarf Hilfe zu leisten sowie Maßnahmen zu unterlassen, die das Kultur- und Naturerbe in anderen Ländern schädigen könnten.

Wie vielfältig dieses Welterbe ist, zeigen die folgenden drei Stätten, die Ende des Vorjahres in die Liste aufgenommen worden sind: n Der Westen des Kaukasus in Russland, ein 275.000 Hektar großes Gebiet, das rund 50 Kilometer im Nordosten des Schwarzen Meeres liegt: Es ist eine der ganz wenigen großen Bergregionen Europas, die noch weitgehend unberührt geblieben ist. Riesige Waldflächen erstrecken sich aus den Tallagen bis in subalpine Regionen und stellen ein vielfältiges Ökosystem dar, das unter anderem europäische Bergbisons beherbergt.

n In Frankreich wurde das Gebiet von Saint-Emilion unter Schutz gestellt. Im Südwesten des Landes gelegen, ist es eines der bekanntesten Weinbaugebiete, wegen seines Rotweins seit dem Mittelalter gerühmt. Da viele Pilgerwege nach Santiago de Compostela durch das Gebiet führen, beherbergen seine Städte und Dörfer eine große Zahl von Kirchen, Klöstern und Hospizen, die im elften und zwölften Jahrhundert errichtet worden sind.

n Die Darjeeling-Himalaya-Eisenbahnstrecke in Indien wiederum ist eine besonders bemerkenswerte Gebirgsbahn, die nach wie vor dem Personenverkehr dient. Sie wurde bereits 1881 in einer prächtigen Gebirgslandschaft in Betrieb genommen und ist das Zeugnis außergewöhnlich kühner Ingenieurleistungen.

Gerade in einer Zeit, die so auf Veränderung bedacht ist wie unsere, bleibt es eine wichtige Herausforderung, das Erbe von Generationen zu pflegen. Das betonte kürzlich UNESCO-Generaldirektor Federico Mayor: "Vergessen wir nie: Wenn es von Bedeutung ist, Vergangenes zu bewahren, dann in dem Maße, als es dazu beiträgt, die Weichen für morgen zu stellen."

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