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Europäische Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus

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Am 27. Jänner 1977 wurde die von den Ministerdelegierten des Europarates verabschiedete Europäische Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus durch die Außenminister der Mitgliedsstaaten unterzeichnet, und nun soll die Konvention von den Unterzeichnerstaaten auch ratifiziert werden. Wie lange das dauern wird, ist schwer abzusehen, da sich Österreich beispielsweise mit der Ratifikation von Konventionen, die es unterzeichnet hat, für gewöhnlich sehr lange Zeit läßt, oft bis zu fünf und noch mehr Jahren; und ob das im Schlepptau Libyens und seines Präsidenten Ghaddafi befindliche Malta eine Konvention gegen den Terrorismus ratifizieren wird, muß als sehr fraglich bezeichnet werden. Hauptinteressent an der Konvention ist die Bundesrepublik Deutschland, die ja auch das Hauptopfer von Terroranschlägen war.

Die Konvention ist darauf gerichtet, daß die Urheber von Terrorakten einer Strafverfolgung und Bestrafung nicht entgehen und auch an den Staat, auf dessen Territorium sie den Terrorakt begangen haben, zur Bestrafung ausgeliefert werden. Dies auch dann, wenn politische Motive angeblich oder wirklich die Straftat veranlaßt haben.

Nach der Konvention hat die Auslieferung zu erfolgen und ist keine politische Straftat gegeben (deretwegen eine Auslieferung nicht möglich wäre) in folgenden Fällen:

• Luftpiraterie (Hijacking) im Sinne des Übereinkommens zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, unterzeichnet in Den Haag am 16. Dezember 1970;

• Straftat im Sinne des Übereinkommens von Montreal zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt vom 23. September 1971 (es bezieht sich vor allem auf Gewaltakte in Flughäfen);

• Gesandtenmord fschwerer Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen, einschließlich Diplomaten);

• EntführungGeiselnahme oder schwere widerrechtliche Freiheitsentziehung;

• Sprengstoffanschläge einschließlich Verwendung von Briefbomben;

• Mittäterschaft (einschließlich des Versuches) bei solchen Straftaten.

Auch schwere Straftaten gegen Sachen fallen unter die Konvention, wenn damit eine kollektive Gefahr für Menschen verbunden ist.

Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, falls keine Auslieferung erfolgt, nach ihrem eigenen Strafrecht die Täter zu bestrafen.

Die Vertragsstaaten haben möglichst umfassende Rechtshilfe bei der Strafverfolgung von Terroristen zu leisten.

Die Konvention bindet die Vertragsstaaten aber nicht, wenn das Rechtshilfeersuchen mutmaßlich zu dem Zweck ergeht, eine Person aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen zu verfolgen und zu bestrafen. Solche Fälle könnten heute unter den Mitgliedsstaaten des Europarates vor allem die Türkei betreffen, wo Armenier, Kurden und Griechen religiös, politisch oder aus ethnischen Gründen verfolgt werden. Zur Zeit der griechischen Militärjunta wäre ein Paradebeispiel auch Griechenland gewesen, das aber aus ebendiesem Grunde aus dem Europarat austrat, ihm jetzt aber wieder angehört.

Die Konvention ist ihrem Inhalt nach eher dürftig. Denn einerseits kann jeder Teilnehmerstaat bei der Ratifizierung Vorbehalte machen, anderseits muß ein Mitgliedsstaat kein Auslieferungsansuchen stellen. Italien stellt im allgemeinen solche Auslieferungsanträge nicht, wie man anläßlich des britischen Angebots, den Amplatz-Mörder Kerbler auszuliefem, damit er in Italien seine Strafe verbüße, sehen konnte.

Italien hat es auch abgelehnt, die im vergangenen Sommer in Massen nach Vorarlberg eingereisten Mercedes- Bande-Mitglieder, Italiener, die in Italien Mercedes-250-SE-Autos gestohlen hatten, ausliefem zu lassen.

Es wird daher, sobald die Konvention einmal von den europäischen Staaten ratifiziert sein wird, abzuwarten sein, wie sie sich in der Praxis bewährt. Wozu noch das Problem der Erpressung kommt, dem die verfolgenden Staaten nach erfolgter Auslieferung oder innerstaatlicher Verurteilung ausgesetzt sind, wie man im Wiener OPEC-Fall und vorher schon im Fall Schönau erlebt hat. Und auch die sicher rechtsstaatlich orientierte Schweiz hat Luftpiraten freigelassen, als ein Massenmord an Schweizer Bürgern ange- drohi wurde.

Immerhin wird aber die Konvention ein wirksames Mittel gegen Terrorakte einzelner oder solcher, die keine effektive Organisation hinter sich haben, sein können.

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