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Der nächste schwache Riese

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Die Stillegung der Guggenbacher Papierfabrik im Übelbacher Graben nördlich von Graz hat die Strukturprobleme bei der Papierindustrie wieder einmal deutlich gemacht. Die nun beschäftigungslosen 380 Dienstnehmer des Unternehmens müssen ebenso wie viele Arbeiter und Angestellte geschlossener Papierfabriken in aller Welt für eine Überkapazität am Papiersektor, für zu geringe Betriebsgrößen, veraltete Maschinen und mangelndes Kapital büßen.

All das, was man über die Papierindustrie sagt, muß in etwas abgewandelter Form auch für die Textilindustrie gelten. Der älteste Industriezweig der Welt steht vor mindestens ebenso großen Strukturproblemen wie die Papierindustrie. Begonnen haben diese Schwierigkeiten, als zu Beginn der fünfziger Jahre die Industriestaaten im Rahmen der Entwicklungshilfe den Entwicklungsländern beim Aufbau einer eigenen Textilindustrie behilflich waren.

Wie sich nur bald herausstellte, war das ein Eigentor: Denn die Entwicklungsländer brachten ihre Waren zu Dumpingpreisen auf die europäischen und amerikanischen Märkte und haben damit einen

Schrumpfungsprozeß der heimischen Textilindustrie ausgelöst, der noch immer anhält. Dazu kommt noch, daß auch die Exportmärkte in der dritten Welt verloren gingen, weshalb eine weltweite Uberkapazität das Ergebnis war.

In Österreich ist die Textilindustrie heute, gemessen am Produktionswert, immer noch der viertgrößte Industriezweig. Die Umstellung der österreichischen Textilindustrie fällt besonders auf Grund ihres Alters schwer: so ist zum Beispiel die Pottendorfer Spinnerei bereits knapp nach 1800 gegründet worden und damit die älteste Großspinnerei am europäischen Festland.

Die Umstellung der österreichischen Erzeugung auf modische Waren, die durch die weltweiten Überkapazitäten notwendig geworden war, führte aber zu einem wachsenden Druck auf die Unternehmen.

Kapitalintensiv

Fast parallel mit dieser Entwicklung setzte eine sprunghafte und revolutionierende Entwicklung der Textilmaschinen ein. Da diese Maschinen aber weitgehend automatisch arbeiten, um den steigenden Arbeitskräftemangel einigermaßen wettzumachen, sind auch die Investitionskosten der Textilindustrie stark gestiegen. Um die Rentabilität dieser Maschinen sicherzustellen, müssen sie 24 Stunden täglich in drei Schichten in Betrieb gehalten werden. Die dabei produzierten Waren müssen aber auch abgesetzt werden können. Dazu kommt noch, daß die hohen Kosten für die Maschinen sich in ungewöhnlich knappen Zeiträumen amortisieren müssen und Textilmaschinen heute schon nach zwei bis drei Jahren veraltet und damit unrationell sein können.

Die Textilindustrie ist von einer lohnintensiven zu einer kapitalintensiven Industrie geworden — ein Zustand, der nicht zuletzt auch die Ursache der Krise in der Papierindustrie ist. Und ebenso wie die Papierindustrie kämpft die Textilindustrie mit dem Problem der Unterkapitalisierung.

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