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Außerordentliche Kapitalsanforderungen
Die österreichische Textilindustrie war in diesem Jahr auch vor ganz besondere Finanzierungsaufgaben gestellt. Ein Blick auf die Entwicklung der Textilrohstoff-preise auf den Weltmärkten zeigt, daß die österreichische Textilwirtschaft alle Mühe hatte, den hohen Kapitalanforderungen, die die durch Korea entstandene Wellmarkthausse an ihre finanzielle Leistungskraft stellte, zu genügen.
Dazu kommen Lohnerhöhungen, Preissteigerungen für nahezu alle Hilfsmaterialien. Erhöhungen der Kohlen- und Strompreise — alle diese Kostenelemente setzen ein erhöhtes Betriebskapital voraus. Es ist daher bei allen Unternehmungen eine außerordentliche
Geldknappheit eingetreten, die durch die ungeheure steuerliche Belastung noch weiter verschärft wird. Daher muß immer wieder und mit allem Nachdruck darauf verwiesen werden, wie dringend notwendig es sei, durch gesetzliche Verfügungen die durch die Preissteigerungen entstandenen Scheingewinne zu mildern. In diesem Zusammenhang kann nur die Feststellung des Finanzministers in der Plenarsitzung unterstrichen werden, daß die sich durch die Streichung der individuellen Methode bei einzelnen Betrieben ergebenden ungeheuren Steuermehreinnahmen lediglich auf dem Papier stehen. Die Resolution der kürzlich in Dornbirn
abgehaltenen Ausschußsitzung des Fachverbandes der österreichischen Textilindustrie spiegelt die finanziellen Sorgen
dieser Industrie wieder. Von den in dieser Entschließung aufgestellten Forderungen sei vor allem der Ruf nach dem Schillingeröffnungsbilanzgesetz hervorgehoben. Es ist der Textilindustrie
wegen des Mangels von Schillingeröffnungsbilanzen nicht möglich, jene finanziellen Rücklagen zu bilden, die die Er-
neuerung des vielfach überalterten Produktionsapparats sichern. Die baldige Herstellung der Bilanzwahrheit kann daher nicht oft genug energisch verlangt werden.
Die österreichische Textilausfuhr
Trotz aller Hemmnisse, die im Bereich der Textilindustrie besonders fühlbar waren, konnte der im Jahre 1950 erreichte Anteil von 14 Prozent an der österreichischen Gesamtausfuhr auch in den ersten seehs Monaten des laufenden Jahres gehalten werden. Die nachfolgende Gegenüberstellung der zehn wichtigsten Abnehmerstaaten für österreichische Textilerzeugnisse im Jahre 1937 und im Jahre 1950 zeigt deutlich die Umstellung, die unser Textilexport nach dem aweiten Weltkrieg mitzumachen hatte-. jr -
Die erfreuliche Entwicklung, die unser Textilexport nach Westdeutschland in der Nachkriegszeit genommen hat, wurde durch die Aufhebung der Liberalisierung Und überdies durch den westdeutschen Importlizenzstop vom Februar dieses Jahres jäh unterbrochen; erst die im Juni abgeschlossenen Verhandlungen in Bonn haben wieder verschiedene Möglichkeiten eröffnet, den deutschen Markt zu beliefern. Dies gilt besonders für die Strick- und Wirkwarenerzeugung, aber auch für die Jerseykleiderfabrikation und die Vorarlberger Stickereiindustrie.
Die wachsenden Schwierigkeiten, denen die österreichische Textilindustrie auf allen Märkten begegnet und die ihre Ursache einerseits in der vorläufigen Abkehr einiger Staaten von der Liberalisierung auf dem Textilsektor, andererseits in dem Immer heftiger werdenden internationalen Preiskampf haben, können auf die Dauer nur gemeistert werden, wenn der für die ganze Volkswirtschaft wichtige Textilexport endlich eine wirksamere staatliche Unterstützung erfährt. Diese Förderung muß schon bei den Handelsvertragsverhandlungen beginnen, die bisher leider nur allzu oft diesen bedeutsamen Exportzweig vernachlässigten. Obgleich es eine Binsenwahrheit Ist, daß vor allem der Fertigwarenexport zu fördern wäre, sehen beispielsweise die Verträge mit den südamerikanischen Staaten (Argentinien, Brasilien) wieder fast ausschließlich Garnexportkontingente vor. Zur richtigen Erforschung der ausländischen Märkte
wäre vor allem auch das Netz der Außenhandelsstellen und ehrenamtlichen Korrespondenten der Bundeskammer noch weiter auszubauen, um tatsächlich alle vorhandenen Exportmöglichkeiten in den verschiedenen Ländern ausnützen zu können. Abgesehen von den Kontingentfragen bereiten aber auch die in den meisten Staaten außerordentlich hohen Textilzölle dem österreichischen Export große Schwierigkeiten. Da Österreich nunmehr in Torquay Mitglied des GATT wurde und damit in den Genuß einer Reihe von wichtigen Zollkonzessionen gegenüber den GATT-Staaten kommt, isf zu hoffen, daß auch der Textilexport künftig geringeren Schwierigkeiten begegnen wird.
Einer gesunden Entwicklung der österreichischen Textilindustrie stehen nicht zuletzt auch die völlig unzureichenden österreichischen Textilzölle entgegen. In der Tat ist die österreichische Textilproduktion eines einigermaßen entsprechenden Zollschutzes praktisch beraubt. Daß in dieser Hinsicht endlich Ordnung geschaffen wird, ist ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, denn es geht nicht an, daß unsere Textilwirtschaft neben allen unvermeidlichen Schwierigkeiten noch vor der Tatsache steht, daß 6ie erheblich schlechtere Wettbewerbsbedingungen hat als die ausländischen Textilproduzenten.
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Die österreichische Textilindustrie, die in den schweren zurückliegenden Jahren unbestreitbar Beweise ihrer Tatkraft und ihrer Fähigkeit gegeben hat, die Vollbeschäftigung in ihrem Bereich zu sichern, darf wohl erwarten, daß ihre mühevollen und dem Wohl der Gesamtwirtschaft dienenden Bestrebungen die wirksame Unterstützung jener Stellen finden, die für die österreichische Volkswirtschaft verantwortlich sind. Dann wird auch sie niemals erlahmen, ihre bisherigen Erfolge weiter auszubauen und in der Zukunft zu verankern.
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