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Die neuen Dogmatiker

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Das werfen die Vertreter der heutigen Regierungsmacht in der Volksrepublik China ihren Vorgängern, die summarisch als „Viererbande” abqualifiziert werden, vor: daß sie Theorie über Praxis, revolutionäres Getue über die Wirklichkeit gestellt haben. Der Abschied vom Roten Büchlein als Bibel für politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle Alltagsarbeit ist Abkehr von geistlosem Dogmatismus.

So scheint es zumindest. Wer das vorliegende Interviewgespräch studiert, wird freilich merken, wieviel Dogmatismus auch die Nachfolger wieder betreiben. Mao ist kein unfehlbarer Gott mehr. Dafür zitieren sie jetzt Lenin, als wäre der einer gewesen. So zu tun, als wären sämtliche Fehler, Irrtümer und Irrwege der letzten zehn Jahre in ganz China dem Sabotagewerk der „Viererbande” zuzuschreiben, ist einfach lächerlich. Lächerlicher Dogmatismus!

Wenn die Antwort auf die Frage, woriji sich die Politik Huas von der Politik Breschnews unterscheidet, in der Behauptung besteht, der eine habe Maos und der andere Chruschtschows Erbe angetreten und beide hätten damit auch deren Differenzen geerbt, so ist das völlig unlogisch, da Breschnew mittlerweile eher nach links und Hua ganz entschieden nach rechts gerückt ist!

Die politische Neuorientierung der Machthaber um Hua Guofeng und Deng Xiaobing ist durch wirtschaftliche Notwendigkeiten diktiert. Das chinesische Volk sollte davon profitieren. Deshalb ist durchaus Beifall auch von diesseits des Bambusvorhangs am Platz. Aber kein noch so ge- finkelter Dialektiker kann den heutigen Gegensatz zwischen Peking und Moskau ideologisch erklären. Es ist der klassische Konflikt zweier rivalisierender Großmächte. Karl Marx kann wirklich nichts dafür.

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