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Wirtschafts- oder Volkspartei?

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Die österreichische Volkspartei ist auf Bundesebene noch immer keine politische Partei in strengem Sinn, trotz den Wandlungen, die sie angesichts der Operationen eines nur-po-litisch denkenden Gegners in den letzten Jahren durchgemacht hat. Die Ereignisse der letzten Wochen haben dies eindeutig bewiesen. Die einer einmaligen historischen Situation entstammende Konstitution des Jahres 1945 wurde bei gewandelten Bedingungen beibehalten. Auch heute ist die ÖVP eine lockere Föderation von Gruppen wirtschaftlicher Interessenten, die verhalten sind, sich je für sich im politischen Raum durchzusetzen. Insoweit ist die Volkspar-tei eine „Partisanenpartei“.

Als ein Interessenkartell umfaßt die ÖVP den strafforganisierten Traditionsverband der Bauern (Bauernbund) mit über 443.000 Mitgliedern, den OeAAB (220.000 Mitglieder), dessen organisatorischen Kern die öffentlich Angestellten bilden, und den relativ lose organisierten Wirtschaftsbund, der auf etwa 85.000 Mitglieder hinweisen kann. Die anderen Zweckverbände der Partei mögen optisch zuweilen sehr wichtig erscheinen, einen bestimmenden Einfluß auf Bundesebene haben sie kaum. Die Partei ist daher heute, wie in den Tagen des Ursprungs, nichts ohne die Bünde. Diese sind allein die Parteiwirklichkeit, die sich als organisatorische Verklammerung von Interessen darstellt. Die bündischen Gruppierungen werden durch regionale Interventionen manipuliert.

Es wäre nun falsch, wollte man von der formellen organisatorischen Aufgliederung und den zahlenmäßigen Proportionen auf die Machthierarchie in der Partei schließen und davon ausgehen, daß sie im Sinn einer sozialen Repräsentation eine Bauern- und Arbeiterpartei mit einem Anhang von selbständig Erwerbstätigen sei. Obwohl der Wirtschaftsbund nur etwa 12 Prozent der Mitglieder der Partei in seinen Reihen hat und beispielsweise in Klagenfurt lediglich neun stimmberechtigte Delegierte von insgesamt 417 stellen durfte (abgesehen von den Delegierten aus dem Kreis der Selbständigen, die u. a. für die Länder erschienen waren), ist es den Wirtschaftstreibenden erlaubt, auf Bundesebene die Partei eindeutig zu repräsentieren, wenn nicht zu führen.

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