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Ein Triumph der Ensembleleistung

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Ein Feen- und Geisterspektakel im wildesten Schnörkelurwald, mit stolpernden Bauerntölpeln im Unterholz, mit barocken Allegoriespielen der Jahreszeiten, des Dichters Corydon und derfeistenMopsa, mit Gesang und Schauspiel und Tanz… Große Opemparodie und tiefsinniges Symbolspiel zugleich, zurechtgeputzt mit Witz, Satire, Ironie und viel tiefer Be deutung: Das ist Henry Purcells zu Ausgang des 17. Jahrhunderts geschaffene Ballettoper „Die Feenkönigin”, eine witzig-kultivierte Paraphrase auf Shakespeares „Sommernachtstraum”.

Freilich ohne dessen vielschichtige Symbolik zu erreichen. Aber keine Frage, die „Feenkönigin” ist ein Spiel, mit dem ein Haus zeigen kann, über welches Potential es verfügt. Das Münchner Gärtnerplatztheater, das Purcells Werk seit zwölf Jahren im Spielplan hat, gastierte nun mit dieser Produktion beim Ballettfest im Theater an der Wien. Mit einem Achtungserfolg.

Daß diese Aufführung nicht mehr so ganz ankam, war indessen vor allem eine Frage optischer Gestaltung. Damals, 1965, als Jean-Pierre Ponnelle noch mit seinen maßlos überladenen Bühnenbildern Furore machte und man allerorts diesen pseudobarocken Schnörkeldschungel für einen Stil hielt, war der Erfolg groß. Heute empfindet man diese wechselnden Prospekte mit ihren wuchernden Architekturen, Fabelwesen, Pflanzenornamenten und modischen Karyatiden eher als Kitsch. Bühnenbilder, die ganz und gar den Zeitstempel „Mit sechziger” tragen und sich daher nicht viel vom Zauber erhalten haben.

Doch sieht man davon ab, ist diese Aufführung noch immer beachtlich. Eine Ensemblearbeit von großer Stimmigkeit, in der vor allem der Dirigent Helmut Imig als solider Führer, als Motor auffällt. Aus dem Riesenaufgebot an Sängern, Schauspielern, Tänzern einzelne herauszuheben, scheint mir fast überflüssig. Es gibt da profiliertere und weniger interessante. Aber die Atmosphäre dieses Spiels ist ausschlaggebend. Die Sicherheit in Stil und Geschmack, mit der die Truppe vom Gärtnerplatz diese raffinierte Mischung aus Traumtragödie - das Spiel des flatterhaften Elfenkönigspaares Oberon und Titania-und irdischem Scherz vorzeigt (nur die Choreographie von Sertic und Jagust wirkt wenig phantasievoll und abgenützt; ich könnte mir vor allem in den getanzten Allegorien mehr barocke Pantomime vorstellen).

Und man muß vor allem eines bedauern: daß auf den „rationalisierten” Wiener Spielplänen, etwa der Volksoper, die dem Gärtnerplatztheater vergleichbar ist, Werke dieses Genres überhaupt nicht mehr zu finden sind.

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