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Erfolg mit Jesus-Masche

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Seit das „Turiner Grabtuch" mittels Radiokarbon-Methode auf das 13. oder 14. Jahrhundert datiert wurde, haben Grabtuch-Kenner, allen voran der Jesuitenpater Werner Bulst, Zweifel, ob bei dieser Untersuchung alles mit rechten Dingen zugegangen ist, da bis dahin viele Indizien dafür gesprochen haben, daß es sich tatsächlich um das Leichentuch Jesu handelt.

Nun behaupten auch die Autoren Holger Kersten und Elmar R. Gruber, das Tuch sei echt, aber bei der Radiokarbon-Datierung wurde manipuliert. Ihre Begründung ist allerdings völlig neu und abstrus: Im Vatikan selbst habe man die Fälschung der Datierung angezettelt, um von dem Tuch abzulenken. Denn die Forschungen an der „Sindone" von Turin hätten ergeben, daß kein Leichnam, sondern ein Lebender darin gelegen sei. Mit anderen Worten: Es gab keinen toten Jesus und daher auch keine Auferstehung. Der Kirche wäre der Boden entzogen.

Das Buch ist ein weiterer Beweis dafür, wie einträglich die „Jesus-Masche" ist, wie leicht Druckwerke, die Jesus (möglichst in Verbindung mit anrüchigen Wörtern wie „Verschlußsache" oder „Komplott") im Titel anführen, ihr Publikum finden. Einige mögen finden, diesen - zugegeben, spannend geschriebenen - „Grabtuch-Krimi" müsse man gelesen haben (FURCHE 44/1992), das zeigt aber nur, wie schlecht es um die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Wissenschaftler, die den Radiokarbon-Test durchführten, bestellt ist.

Wer die Dinge nüchtern sieht und den früheren Bestseller Kerstens („Jesus lebte in Indien") kennt, versteht dessen Sicht: Jesus muß das Kreuz überlebt haben, sonst könnte er ja nicht später in Indien gelebt haben und dort gestorben sein. Man kommt um den Eindruck nicht herum, daß Kersten nur an der weiteren Vermarktung seiner krausen Hypothesen interessiert ist. Besonders befremdet, wenn das Buch aus einzelnen Bibelstellen gleichsam historische Beweise für Jesu Überleben der Kreuzigung herauszulesen versucht, um die unmißverständliche Hauptbotschaft des Neuen Testamentes „Er ist auferstanden!" umzudeuten.

DAS JESUS-KOMPLOTT. Von Holger Kersten und Elmar R. Gruber. Langen Müller Verlag, München 1992. 448 Seiten, öS 374,40.

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