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Figaros Tyrannenmord

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„Der tolle Tag“ von Beaumarchais endet in unbeschwerter Komödienfröhlichkeit. „Der tollste Tag“ von Peter Turrini schließt mit einer handfesten Strangulierung: Figaro bringt den Grafen einfach um — es ist ein Akt sozialer Notwehr. Das verhält sich so: Der junge Autor Peter Turrini („Rozznjogd“, „Sauschlachten“) setzt sich in den Kopf, den Beaumarchais umzuschreiben, weil dieser den Grafen (sprich: die Macht) durch Figaros Schlauheit (sprich: den Witz) besiegen läßt. Ihm erscheint dies als ein zeitgebundenes Zugeständnis an die verbale Schlagseite der Komödie. Denn „wenn die Gewalt die Tatsachen schafft, ist der Witz keine Waffe mehr“, folgert Turrini. Und findet seinen Schützenhelfer dabei in Pierre Caron de Beaumarchais selbst, der schrieb: „Oh, wie ich es bedaure, daß ich aus diesem moralischen Thema keine blutige Tragödie gemacht habe. Ich hätte dem gekränkten Gatten... einen Dolch in die Hand gegeben und ihn in seiner zornigen Eifersucht mit edler Geste den mächtigen Lüstling erstechen lassen.“ Die Komödie also, die nach Dürrenmatt einzig noch unserer Welt beikomme, kann nicht mehr dienen, wenn die Verhältnisse zugunsten der Gewalt geregelt sind, meint Turrini.

Um dies zu zeigen, braucht der Kärntner Stückeumschreiber die ganze Komödie des Beaumarchais; so wird schließlich aus dem eleganten Geplänkel ein schlichter Tyrannenmord. Nun ist das nicht gerade viel, was da herauskommt: Gewalt gegen Gewalt eben. Und ein bißchen

Zweifel an der Effizienz der Revolution, die bei Beaumarchais bereits rumort. Denn das Schlußwort bei Turrini heißt: „Revolution“, aber er versieht es mit einem Fragezeichen — somit wäre auch der zeitgemäße Trend zum politischen Theater gewahrt. Der dramaturgische Einfall ist etwas simpel; noch simpler allerdings gibt sich im allgemeinen die Sprache. An diesem Urteil können einzelne sehr gelungene Formulierungen, geschickt eingesetzte Sticho-mythien, auch nichts ändern. Den Rokokoarabesken des Originals wird dann und wann ein umgangssprachliches Mäntelchen billigster Faktur übergeworfen, das sich mit „Scheiße in aeternum“ und Bunter-Abend-Kalauem dekoriert.

Die österreichische Erstaufführung im Grazer Schauspielhaus profitierte von Fritz Zechas starker Dompteurfaust, die nicht nur eine sehr geschlossene Ensembleleistung, sondern auch eine eingehende Detailzeichnung verbürgt. Mit Lust und Ingrimm hat Zecha die Niedlichkeit der Oper von der Bühne gepeitscht. Da es bei ihm weder ohne die halbhohe Brecht-Kurtine noch ohne die vom Großmeister der Verfremdung geforderte Distanz geht, hatte die Aufführung glücklicherweise eine strenge stilistische Linie fernab jeder Banalität. Hervorragend Elmar Schulte als Graf Almaviva und Fritz Holzer als Hofintrigant Bazjülus. Der Autor war anwesend und konnte sich von der Qualität der Inszenierung überzeugen.

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