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Fuchs und Fliege

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Mit dem durchschlagenden Erfolg der vorjährigen Aufführung (man spielte damals Grillparzers „Weh dem, der lügt“) gelang der alten Burg von Neulengbach im ersten Anlauf sozusagen der Sprung zu ihrer Instauration als niederösterreichisches Kulturzentrum. Man entschloß sich alsbald, hier auch in den folgenden Sommern das klassische Lustspiel zu pflegen und die Aufführungen durch Ausstellungen im Rittersaal zu ergänzen.

Mehr als nur Ergänzung allerdings sind, die .elf Bronzeskulpturen, die Frau Lucy Wotruba heuer für die

Fritz-Wotruba-Gedächtnisausstel-lung zur Verfügung gestellt hat und die von zehn Graphiken des verstorbenen Meisters ergänzt werden, auf denen die Entwicklung seiner geometrischen Formen aus der ursprünglich jeweils naturalistisch skizzierten menschlichen Gestalt auch dem künstlerisch unvorbereiteten Publikum durchschaubar gemacht wind.

Im Renaissancehof des Schloßes spielt man bis zum 8. August einschließlich, an allen Samstagen und Sonntagen um 16 Uhr Ben Jonsons „Volpone“ in der deutschen Übersetzung und Bearbeitung durch Stefan Zweig. Jeder hundertste Besucher erhält das große Wotruba-Theater-buch als Ehrengabe. Bring your family: Kinder unterhalten' sich in dem Kindergarten, der eigens für diesen Zweck in den Vorwerken der Eurg eingerichtet wurde, glänzend.

Wieder gehört es in Neulengbach zu den beglückenden Erlebnissen, jenes glasklare, herrliche Deutsch zu hören, das verständlich ist, auch wenn es geflüstert wird, und das offensichtlich nur noch in Österreich, weil hier Fremdsprache, jungen Schauspielern gelehrt wind, die dann auf anderen deutschsprachigen Bühnen unfehlbar zu Stars werden. Star des Zürcher Schauspielhauses ist der Österreicher Gerhard Dorfer, der in Neulengbach den Volpone. mit virtuoser Intensität spielt, dabei aber vielleicht mehr den Bösewicht als den levamtinischen Fuchs verkörpert. Man sollte sie alle nennen, den Geier des Adolf Lukon, die Krähe des Joe Trümmer, den Raben des Karl Mittner, den gut brüllenden Löwen des Bruno Thost, das Täubchen der Elisabeth Schwarzbauer, den Richter des Hans Niklos, die Sbirren, die Diener, und unter diesen wieder einmal Fritz Hakl als „Hofzwerg erster Klasse“ im Sinne Hermanovsky-Orlandos. Großartig die Leistung der Isolde Rektenwald, die eine venezianische Kurtisane, die „Hündin“, ohne jegliche Outrage mit aller Deutlichkeit, und dennoch mit hof-theatermäßiger Dezenz verkörpert, am großartigsten aber wieder einmal Frans Elkins als gelenkiger, elastischer Mosca (Fliege), zum sieghaften Ubertölpler und Universalerben auserkoren von Anbeginn. Prof. Josef Schulz von der Akademie der Bildenden Künste hat das Bühnenbild gestaltet. Bungsehauspieler Peter P. Jost hat diesmal als Regisseur sich selbst übertroffen: die unter den Arkaden äußerst schwierigen Auftritte und Abgänge erfolgen gleitend, keine Nahtstelle wird sichtbar, alle Umbauten auf offener Bühne werden wie selbstverständlich überbrückt. Neulengbach hat seinen Stil gefunden, und dieser Stil hat heuer bereits Tradition.

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