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Grenzen

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Eine Grenze kann etwas Beängstigendes sein, aber auch was Beruhigendes. Die geradezu klassischen Gegensätze von wohltuenden und bedrohlichen Grenzen sind die, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg das „ Großdeutsche Reich “ aufgeteilt wurde.

Man kann nun von einem deutschen Kulturraum ausgehen, von „deutschsprachigen Bruderstämmen“ oder von einer alle Staatlichkeiten überwuchernden deutschen Nation. Die Realität sieht jedenfalls so aus, daß in der Mitte die Bundesrepublik Deutschland entstand, im Südosten davon die Republik Österreich wiedererstand und im Nordosten die sowjetische Besatzungszone als zweiter Deutscher Staat unter kommunistischer Herrschaft abgetrennt wurde.

Wir Bayern haben das Glück gehabt, daß wir von den Siegermächten weder den Österreichern noch den östlichen Preußen zum Unterjochen ausgeliefert wurden. Aber wir haben auch das Pech gehabt, daß sie nicht bereit waren, Bayern als völlig souveränen Freistaat wiederherzustellen.

Wie wohltuend ist es dagegen, daß wir in der engeren Verwandtschaft, nämlich zwischen Bayern und Österreich, so eine angenehme Grenze haben. Wann immer wir uns mögen oder gar lieben, können wir problemlos hinüber und herüber und uns im Rausch, im Schnee oder sonstwo nach Herzenslust verbrüdern und verschwestern, ■ verneffen und vernichten.

Aber wenn wir.wieder nüchtern sind und uns näher anschauen, sind wir meist froh, daß wir uns auch wieder über die Grenze zurückziehen können. Ob die Steuern der Bayern in Bonn und die der Österreicher in Wien verschwendet werden, kann uns auch schon wurscht sein.

So schön es sich über die deutsch-österreichische Grenze hinweg blödeln, anbandeln oder schimpfen läßt, so gut läßt es sich mit ihr leben. In einem freien Europa sind Grenzen zwar schon etwas nationalstaatlich Anachronistisches, aber eben doch ordnende Verwaltungszäune. Wir respektieren sie umso leichter, je durchlässiger sie sind und je weniger die Menschen hinter dieser Grenze zu bedauern sind.

Grenzen hingegen, die man mit Mauern, Stacheldraht, Tellerminen und automatischen Schußanlagen nach innen vor Ausbrechern schützen muß, weisen nicht auf einen souveränen Staat im europäischen Kulturraum hin, sondern auf ein Zwangslager für unfreie Menschen und bedauernswerte Geiseln.Wie leicht könnten wir aufhören von der deutschen Wiedervereinigung zu reden und von der nationalen Einheit, wenn die deutsch-deutsche Grenze zur DDR so wäre wie die zwischen Bayern und Österreich.

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