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Im Interesse der Republik

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Als im Sommer 1983 die Mieter des Wohnhauses in der Wiener Himmelpfortgasse 11 durch Berichte und Gerüchte aufgeschreckt wurden, der Bund möchte in diesen Mauern statt der Küchen- und Wohnzimmertische die Schreibtische des Familienministeriums sehen, winkte Heinrich Schmelz, Karl Sekaninas Sektionschef für den Bundeshochbau, öffentlich ab: „Das war einmal kurz im Gespräch, wurde aber ad acta gelegt."

Zwar wurde das grundsätzliche Interesse an diesem Haus gar nicht geleugnet, doch der Bund konnte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht über das Objekt verfügen: Eigentümer war die Baugesellschaft Porr AG, die freilich zuvor auch schon — zur Freude der Mieter vergeblich — versucht hatte, den Wohn- in Büroraum umwidmen zu lassen.

Im Herbst wechselte dann die Himmelpfortgasse 11 nach jahrelangen Verhandlungen den Besitzer. Der neue Hausherr Bund mußte erst mit Budgetüberschreitungsgesetz vom 10. November 10,5 Millionen Schilling flüssigmachen, um die Liegenschaft anzukaufen: „für das neu zu schaffende Bundesministerium für Familie, Jugend und Konsumentenschutz sowie zur akuten Raumbedarfsdeckung der Finanzverwaltung".

Oppositionelle Vorhalte wies Elfriede Karl empört von sich: weder zusätzliche Schreibtische noch, das werde auch „durch Wiederholung nicht wahrer und nicht richtiger", ein Haus für ihr Familienministerium !

Dieses Dementi hätte auch durch eine frühere Schmelz-Beschwichtigung glaubwürdig klingen müssen: Das Haus werde. „wirklich nur auf Vorsorge gekauft. Wer weiß, was in ein paar Jahren ist... "

So der offizielle Stand der Dinge - hätte nicht die FURCHE nun aus dem Bautenministerium von einem Schreiben Kenntnis erhalten, das schon am 24. November 1983 an die Bundesbaudirektion Wien abgegangen ist: von Schmelz für Minister Sekanina gezeichnet.

Der Brief räumt auch be-tref-fend mit Dementis und Beschwichtigungen auf: In der Himmelpfortgasse 11 geht es um „Freimachung und Erstinstandsetzung nach Ankauf". Freimachung, das heißt altsprachlich: Hinausschmiß der Mieter.

Wofür? Für „Schulungsräume" der Salcher-Karl-Ressorts, für „Gästezimmer", für das Finanzarchiv, und „außerdem wären entsprechende Räumlichkeiten für die Einrichtung einer Service-und Informationsstelle des Bundesministeriums für Familie... vorzusehen". Für die finanzielle Bedeckung sei bereits im Rahmenbauprogramm 1984 vorgesorgt.

Und dann sagt Schmelz unter Berufung auf das Salcher-Res-sort (siehe Faksimile) dem Souverän Bürger den Kampf an, weil „die Interessen der Republik ... höher einzuschätzen sind als jene der Mieter".

Die Mieter: Das sind rund 40 Personen in 14 Haushalten, sechs Familien mit Kindern, vier Ehepaare und vier alleinstehende Personen. Nur fünf Wohnungen stehen derzeit leer.

Kurzum: Das Familienministerium ist gekommen, die Familien sollen gehen.

Allerdings liegt das Haus in ei-' ner sogenannten Schutzzone. Und dort verbietet die Wiener Bauordnung 1976 eine Umwidmung von Wohn- und Büroraum. Es sei denn, die örtliche Bezirksvertretung stimmt einer Ausnahme zu.

Bezirksrat Siegfried Korn, im City-Parlament Klubobmann der ÖVP-Mehrheitsfraktion, denkt -mit den Plänen dieser „Freimachung" konfrontiert — nicht daran. Was der Porr AG einstimmig versagt wurde, soll auch dem Bund verwehrt werden.

„Die ÖVP wird sich bemühen, daß alle vier Parteien in der Bezirksvertretung jetzt einvernehmlich eine Resolution an den Bund richten, sich von den Plänen der Absiedlung aus rechtlichen, sozialen und moralischen Gründen zurückzuziehen", verweist Korn auf einen möglichen ersten Schritt.

Dieser Schritt könnte prompt erfolgen: Denn zufällig tagt die Bezirksvertretung am 25. Jänner, dem Erscheinungstag dieser FURCHE.

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