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Aufstand gegen Hausherrn Bund

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Die von der FURCHE aufgedeckten Pläne einer ,,Freimachung" des Hauses Himmelpfortgasse 11 in Wien sorgten für Wirbel: in der Bezirksvertretung und im Nationalrat.

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Die von der FURCHE aufgedeckten Pläne einer ,,Freimachung" des Hauses Himmelpfortgasse 11 in Wien sorgten für Wirbel: in der Bezirksvertretung und im Nationalrat.

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Die von der FURCHE (4/1984) aufgedeckten Pläne einer „Freimachung" des vom Bund im Herbst des Vorjahres angekauften Hauses Himmelpfortgasse 11 in der Wiener Innenstadt sorgten in der Vorwoche für Wirbel: in der City-Bezirksvertretung ebenso wie im Nationalrat.

„Alarmiert durch konkrete Pläne der Bundesregierung, die Bewohner des Hauses Himmelpfortgasse 11 abzusiedeln und das Objekt zur wohnungsfremden Nutzung für das Familien- und das Finanzministerium .freizumachen', appelliert die Bezirksvertretung Wien-Innere Stadt gemeinsam mit den betroffenen Mietern an die Bundesregierung, von diesen Plänen Abstand zu nehmen."

Noch am Erscheinungstag der FURCHE griff das Bezirksparlament den Fall auf und rief Leopold Gratz ebenso wie Erhard Bu-sek sowie die Parlaments- und Landtagsklubs von SPO, OVP und FPO auf, diese Bemühungen der Bezirksvertretung zu unterstützen. Einstimmig.

Und einstimmig, also gemeinsam von OVP, SPO, FPO und Alternativer Liste, wurde noch am 25. Jänner eine Resolution verabschiedet

• „vondenPläneneiner .Freimachung' des Hauses Himmelpfortgasse 11 Abstand zu nehmen,

• die fünf derzeit leerstehenden Wohnungen wieder Wohnzwek-ken zuzuführen und

O das denkmalgeschützte Haus in einen seiner Bedeutung angemessenen Zustand zu versetzen".

Dazu kam noch ein Wunsch, dem sich nicht einmal die sozialistische City-Fraktion verschloß: „Sollten wirtschaftliche Uberlegungen der Republik gegen eine Instandsetzung und Nutzung des Objektes als Wohnhaus sprechen, möge das Haus verkauft werden, wobei es vorerst den Mietern zum Erwerb angeboten werden möge."

Noch war der Beschluß im Festsaal des Alten Rathauses in Wien nicht gefaßt, wurde im Parlament an der Ringstraße eine Dringliche Anfrage der ÖVP-Opposition an Familienministerin Elfriede Karl aufgerufen. Die Mock-Riege stellte Karl eine simple Rechenaufgabe: Was kostet das Belastungspaket „der sozialistischen Koalitionsregierung" pro Jahr einer Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern bei durchschnittlichem Einkommen?

Heribert Steinbauer, dem Begründer der Anfrage, ging es dabei vor allem auch um den Kontrast: einerseits Belastungen, andrerseits Verschwendung - zum Beispiel mit der Gründung des zusätzlichen Familienministeriums.

Steinbauer am Rednerpult: „Ich nehme die heutige FURCHE und zitiere hier..."

Zur Erinnerung: In einem Schreiben des Bautenministeriums vom 24. November 1983 (mit der Geschäftszahl 690.226/7-11/6/ 83) wurde die Bundesbaudirekti-on Wien mit der „Freimachung und Erstinstandsetzung nach Ankauf" des Hauses Himmelpfortgasse 11 beauftragt, wobei „die Interessen der Republik ... höher einzuschätzen sind als jene der Mieter". Auch die „Interessen der Republik" werden in diesem Schriftstück klargelegt: Raumbedarf für das Familien- und das Finanzministerium. Die Opfer dieser Interessenslage wären die Mieter, 40 Personen in 14 Haushalten, darunter sechs Familien.

Familienministerin Karl bestritt für sich jegliches Interesse, schränkte lediglich ein, daß sie auf Anfrage Bedarf von „höchstens ein oder zwei Räumen für eine geplante Servicestelle" angemeldet habe, aber nur „auf jetzt schon freien Raum". Und verärgert fügte sie hinzu: „Ich muß diese Räume nicht haben, ich kann sie auch anderweitig einrichten. Wegen des Familienministeriums müssen die Familien ihre Wohnungen wirklich nicht räumen."

Die ministerielle Aufklärung ermunterte die Opposition zu einem weiteren Vorstoß: Steinbauer brachte die einstimmig in der Innenstadt-Bezirksvertretung verabschiedete Resolution wortgleich als ÖVP-Entschließungs-antrag ein.

Doch bei der Abstimmung ließen die Bundesregierungsparteien ihre Bezirkspolitiker im Stich und stimmten dagegen „von den Plänen einer .Freimachung' des Hauses Himmelpfortgasse 11 Abstand zu nehmen". Denn, so begründete Ewald Nowotny die ablehnende SPÖ-Haltung, „wir sind hier im Bundesparlament", weshalb eine Beschäftigung mit Bezirksproblemen pure Demagogie sei.

Hinausgeworfenes Geld?

Das aber war die denkbar schlechteste Begründung: das Haus ist und bleibt ein Bundesproblem.

Sagt Familienministerin Karl die Wahrheit, dann braucht sie weder Haus noch Räumlichkeiten. Dann stand in den erläuternden Bemerkungen zum Budgetüberschreitungsgesetz die Unwahrheit, die den Ankauf der Liegenschaft „für das neu zu schaffende Bundesministerium für Familie, Jugend und Konsumentenschutz sowie zur akuten Raumbedarfsdeckung der Finanzverwaltung" begründen.

Damit freilich gewinnt der Fall eine gänzlich neue Dimension: Praktisch sind nämlich dann die 10,5 Millionen Schilling, die für den Hausankauf aufgewendet werden mußten, leichtfertig hinausgeworfenes Geld. Geld, das durch höhere Steuern und Abgaben jetzt erst eingetrieben wird.

Was die Steuerzahler beunruhigt, könnte die Mieter wieder ruhig schlafen lassen. Doch bis zur Stunde des Redaktionsschlusses war im Bautenministerium nichts davon bekannt, daß das Geschäftsstück vom 24. November" 1983 widerrufen worden wäre.

Was hat der Hausherr Bund dann bloß weiter mit der Himmelpfortgasse 11 im Sinn?

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