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Junge Gesichter

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An die Spitze der ÖVP-Jugend — offiziell österreichische Jugendbewegung — soll ein Kopf kommen, der auch ohne Toupet den Blicken nach Jugendlichkeit (wenigstens formal) standhalten kann. Wenn im kommenden September in Baden der Bundestag der ÖJB zusammentritt, wird der derzeitige Bundesobmann, der inzwischen bei den Vierzigern angesiedelte Doppeldoktor, Diplomkaufmann, Unilever-Spitzen-manager und (seit 1970) Nationalratsabgeordnete Fritz König, das Jugendamt in jüngere Hände legen. Über den Nachfolger wird bereits eifrig gerätselt. Delegiertenstimmenstarke Gruppierungen haben sich aber bereits festgelegt: Ihr heißer Tip heißt Josef Höchtl, 27, Assistent an der Hochschule für Welthandel in Wien und gebürtiger Niederösterreicher — bisher ohne Spitzenfunktion in der Jugendbewegung.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten werden auf der Gerüchtebörse natürlich auch noch andere Namen notiert: Der des 30jährigen Bundesratsmitglieds Mader aus Tirol, jener des niederösterreichischen Parteiangestellten Fidesser (zur Zeit stellvertretender ÖJB-Bundesobmann) und nicht zuletzt jener des kritikfreudigen steirischen ÖJB-Landes-obmannes (und seit wenigen Wochen Mitglied des Bundesrats) Walter Heinziger.

Wenn man Höchtl nicht zur Wiener Landesorganisation rechnet, kommen also alle Kandidaten aus den Bundesländern, was nicht weiter verwunderlich ist, denn die Wiener ÖVP — längere Zeit in Doppelfunktion von König geführt — siecht bestenfalls dahin und begründete politisch das, was man in den Bundesländern des öfteren „Wiener Schule des reaktionären Opportunismus“ zu nennen pflegt.

Von den vier genannten Kandidaten ist zweifellos Heinziger der bekannteste — ein Mann aber auch, der in tagespolitischen wie in ideologischen Sphären zu denken versteht, wobei es nicht nur beim Denken bleibt, sondern auch spektakuläre Aktionen folgen. Es ist nicht zuletzt auf ihn zurückzuführen, daß die steirische Jugendbewegung eine der ganz wenigen effektiven ÖVP-Jugendorganisationen ist, von der zum Beispiel während der nur schleppend geführten VP-Programm-diskussion bemerkenswerte Anstöße ausgingen.

Der steirische Landesobmann hat es aber bereits abgelehnt, die Bun-des-ÖJB zu übernehmen, und er will nun auch nicht zu einer Meinungsumkehr gebeten werden. Heinziger fühlt sich mit seinen 34 Jahren für diesen Job zu alt — er will endlich, junge Gesichter an der Spitze einer Jugendorganisation sehen —, und setzt daher auf Höchtl, von dem er erwartet, daß dieser „mehr Politik und weniger Gaukelei“ fabriziert als bisher die für die Parteiführung problemlose ÖJB-Spitze.

Weg vom „konservativen Image“

Ein ganz unbeschriebenes Blatt ist dieser Josef Höchtl trotz fehlender bisheriger Spitzenfunktionen nicht. Als Bezirksobmann der ÖJB-Gruppe „Niederösterreicher in Wien“ formulierte er im September 1970 seine Vorstellungen zu einer „grundlegenden Reform der ÖVP“ und „Zehn gesellschaftspolitische Prinzipien der ÖJB“. In diesen zur Diskussion ausgesandten Höchtl-Überlegungen ist „vielleicht daran zu denken, eine auflagenstarke Boulevardzeitung durch ÖVP-nahe Kreise kaufen zu lassen“; aber auch ein „Kardinalfehler“ der ÖVP wird kritisiert, der in der „relativ großen Abgeschlossenheit gegenüber den Intellektuellen, der kritisch denkenden studierenden Jugend und Kreisen, die ihre eigene Meinungsbildung vornehmen“ liegt. Neben mehr innerparteilicher Demokratie und der Verteufe-lung der Ämterkumulierung forderte Höchtl die .Abkehr vom konservativen Image“: „Nicht an Traditionen hängenbleiben, nicht die Vergangenheit als wesentliches Diskussionsargument heranziehen, sondern die Zukunftsorientierung hat auf allen Ebenen zu dominieren.“

Aber auch eine „Änderung des Verhältnisses zur Jugend“ wünscht Jugendfavorit Höchtl: „Man erhält oft den Eindruck, daß Politiker die Heranbildung des politischen Nachwuchses als Aufgabe zur Schaffung von Wiederkäuern, total Untergebenen, Nachahmern usw. betrachten ... den Jungen wird eher geraten, Duckmäuser zu sein, wenn sie Interesse an einer politischen Karriere haben, als daß man froh wäre, wenn sich wieder junge Menschen finden, die sich mit der Politik beschäftigen und eigenständige Gedanken hervorbringen können.“

Höchtl sieht aber auch die „einzige Ausdehnungschance“ der ÖVP im ÖAAB, „was dazu führen wird, daß der ÖAAB der führende Bund innerhalb der ÖVP wird“. Von Höchtl wird freilich auch nach dieser durch W'irtschaftsbündler-Mark und -Bein gehenden Formulierung keine Revolution ausgehen. Er, der ein „wesentliches Ziel der ÖJB“ in der Aufgabe erblickt, die Entfaltung der „Werte der Freiheit und Selbstverantwortung, der Rationalität und Humanität“ zu fördern, meint, für konservative Gemüter beruhigend, daß „die Selbstverwirklichung des einzelnen siii auch darin artikulieren können muß, daß er auf die Wahrnehmung der politischen Gestaltungschance verzichtet“.

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