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Lange Weile

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Das Kirchenjahr teilt sich — wenig beachtet — in zwei Hälften: Die erste Hälfte ist durch den kleineren Festkreis rund um Weihnachten und den größeren rund um Ostern recht genau strukturiert. Es gibt kaum Sonntage, die nicht durch die beiden Festkreise und ihre Vorbereitungszeit oder die folgenden Festtage geprägt wären. (Lediglich zwischen die beiden Kreise schiebt sich eine veränderlich kleine Zahl von sogenannten „Sonntagen im Jahreskreis", da sich ja durchüßen variablen Oster- termm ein variabler ,fZeit- polster" vor Beginn der Fastenzeit ergibt.)

Die zweite Jahreshälfte, etwa ab Juni bis zum nächsten Advent, ist eine irgendwie „freie Zeit", einfache Sonntage im Jahreskreis, fortlaufend gezählt, liturgisch mit der grünen Farbe gekennzeichnet — dazwischen nur wenige vereinzelte Feste, keine zusammenhängenden Festzeiten mehr. Eine „lange Weile“ könnte man -.-sagen, die .sich.mühsamhin-…, zieht bis zum 33. Sonntag im Jahreskreis (nach der neuen Zählung — zuvor zählte man die Sonntage nach Pfingsten oder „Trinitatis“).

Diese mühsame und lange Zeit war früher wohl auch mit dem Arbeits- und Lebensrhythmus einer Agrarkultur verschränkt. Es war die Zeit der verstärkten Feldarbeit — während man sich im Winter und an den kurzen Tagen wenigstens in der Landwirtschaft ein wenig erholen konnte.

Das geistliche Jahr der Kirche war ja auch ein Versuch, die wichtigsten Inhalte der christlichen Botschaft, auf ein Jahr verteilt, zu feiern. Wenn man will: eine religiöse Unterweisung in immer wiederkehrenden Jahreszyklen. Und die Wiederholung wollte nicht so sehr ermüden und kalte Routine entstehen lassen, sondern durch alljährliches Erinnern vertiefen.

Die Aufteilung des Kirchenjahres in zwei Hälften ermöglichte es nun, in der ersten Hälfte das Leben Jesu von der Geburt bis zur Geistsendung zu Pfingsten in Erinnerung zu rufen, in der zweiten Hälfte aber die übrigen kirchlichen Lehren zu bringen. Der damals einjährige Zyklus der Lesungsund Evangelientexte verstärkte diese Tendenz. Der heutige Dreijahreszyklus fördert hingegen eine bessere Bibelkenntnis.

Historisch erinnert die „lange Weile" zwischen Pfingsten und Christkönig daran, daß die ersten Christen tatsächlich in der Naherwartung der Wiederkunft Christi lebten — und sich irrten. So wurde die „kleine Weile“ der Bibel inzwischen zu einer langen Zeit der Erwartung.

33. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche

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