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50 Tage

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Im wichtigsten Festkreis der Christenheit rund um das Osterfest spielen die Zahlen eine wichtige Rolle: 40 Tage der vorbereitenden Fastenzeit (die Sonntage nicht mitgerechnet) und 50 Tage der folgenden Zeit bis Pfingsten ergeben zusammen einen Zeitraum von beinahe 100 Tagen — mehr als ein Viertel des gesamten Jahres. Während die 40 Tage an Jesu Fasten in der Wüste und an andere biblische Vorbilder erinnern, hält sich der Pfingst- termin an die Angabe der Apostelgeschichte, in der die Geistsendung dem jüdischen Pfingstfest zugeordnet wird: eben fünfzig Tage nach dem Paschafest.

Auch sprachgeschichtlich hat sich die Zahl vom griechischen ,JPentekoste“ zum deutschen Pfingsten“ erhalten. Später kam als Vorbereitungszeit auf Pfingsten und als jährlich wiederkehrende Bittzeit um den Heiligen Geist die Pfingstnovene dazu — die neuntägige Frist zwischen Christi Himmelfahrt und dem Fest selbst.

Die lange Zeit geübte Oktav (acht Tage) nach Pfingsten bis zum Dreifaltigkeitssonntag entfällt nach dem neuen liturgischen Kalender, um die Rückbindung des Pfingstfestes an Ostern stärker zu zeigen. Doch sind auch die verbliebenen Oktav-Feir em zu Ostern und Weihnachten im Bewußtsein der Gläubigen wenig verankert. Nur das österliche Triduum (drei Tage) ist unter der Bezeichnung der ,JZartage“ volkstümlich und wirksam geblieben.

Gewiß kommt manchem Zeitgenossen das Messen der verschiedenen Zeiteinheiten kleinlich und weltfremd vor. Man bedenke jedoch, daß in früheren Zeiten die Feste, ihre Dauer und ihre Vorbereitungszeit nicht nur eine religiöse Bedeutung hatten. Denn für die meisten Menschen wurde ein strenges urlaubsloses Arbeitsjahr mit einer harten Sechs-Tage-Arbeitswoche nur durch kirchliche Feiertage unterbrochen.

Zusätzlich kamen höchstens noch stundenweise Freistellungen für einzelne Gottesdienste. Prozessionen zu den Bittagen, Andachten und Gedenkgottesdienste waren deshalb zugleich religiöse Feiern und Freizeit von der oft allzu harten Arbeit.

Ähnlich wie heute die Jahreszeit durch den Urlaub geprägt ist, und deshalb für viele Menschen das eigentliche (Arbeits-)Jahr im Herbst beginnt, wurde früher das Jahr durch kirchliche Feste und Feiern aufgelok- kert. Das machte die soziale Dimension religiöser Feste aus. Es ist ein fragwürdiger Fortschritt, wenn heute von manchen Seiten verlangt wird, die alten Feiertage zugunsten streng regelmäßiger Arbeitszeiten aufzugeben.

27. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.

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