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Beste Methode, die Ostemacht mißlingen zu lassen

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Aschermittwoch. Lebendige Feier; zahlreiche Teilnahme. Hier beginnt einmal eine Fastenzeit richtig. Mein Mitbruder hat gut reden (er ist ein bißchen rückständig): die Abendmessen haben ihr Gutes.

4. März. Erster Freitag im Monat. Die Teilnahme war recht zahlreich. Die Messe wurde am Josefsaltar gefeiert, der mit Blumen überhäuft war. Der wirklich fromme Teil der Pfarrei liebt den Monat des hl. Josef sehr. Wir halten jeden Abend eine Sakramentsandacht, in der wir singen: „0 Josef, treuer Hüter!” Schließlich ist es nicht meine Schuld, wenn die Psalmen nicht vom hl. Josef sprechen.

33. März. Zweiter Fastensomtag. Das Maclchenhcim hat uns däs Stück „Wir vollen’ tins umafineii!” !3 öBe- villef” von dem netten alten Labiche beschert. Ich habe lange nicht mehr so gelacht. An der Theke gab es eine Rekordeinnahme, die die Kasse der Anstalt wieder flottmachen wird.

39. März. Fest des hl. Josef. Der Chor hat ganz wunderbar eine Messe für sechs und elf Stimmen gesungen, die er seit Weihnachten eingeübt hatte. Die Aufführung hat entsprechend Eindruck gemacht. Wie mir die Dame von der Postannahme sagte: „Ja, das ist Musik!” Schade, daß dieses schöne Fest auf einen Wochentag fällt.

20. März. Dritter Fastensomtag. In allen Messen Predigt für das Hilfswerk der Kleinen Schornsteinfeger, die durch die Entwicklung der Zentralheizung zum Feiern verurteilt sind. Der Prediger war ein wenig enttäuscht von dem Ergebnis der Sammlung. Dabei hat er eine so unmittelbare Beredsamkeit, die aus dem Herzen kommt.

25. März. Verkündigung. Die Marienkinder hatten für dieses schöne Fest sehr aktiv Propaganda gemacht. Die Kirche war bei der Abendmesse voll.

Samstag, 26. März. Unser Fastenr prediger ist angekommen. Es ist Pater N. SP. Ich hatte ihn schon vor drei Jahren festgenagelt. Ein Pfarrer muß Vorschauen können. Er ist ein sehr belesener Mönch, der uns Predigten halten wird über die Gewerkschaften (für die Männer), über die galante Presse (für die Frauen), über den Sport (für die Jungmänner) und über den Flirt (für die Mädchen).

Sonntag, 27 März. Unser Prediger hat großen Zulauf. Das ist doch mal ein konkretes und aktuelles Sprechen! In der 11-Uhr-Messe, die für die Toten des Krieges gefeiert wurde, haben die Trompeten bei der Wandlung „Vergatterung” geblasen. Es hat mich gepackt. Aber das war nicht nacį dem Geschmack des Hrn. R., eibes jener Pfarrkinder, die glauben, aWes ‘ Äi. to sen und an allem K itik üben. Er sagte mir, das sei durch das Direktorium verboten. Von welchem Direktorium wollte er eigentlich sprechen? Das frage ich mich noch immer. Um nicht weniger boshaft zu erscheinen als er, gab ich schlau zur Antwort: „Bis zum Erlaß einer neuen Verfassung hätte ich doch geglaubt, in einer Republik zu leben.” Und dann war er es, der nichts zu entgegnen wußte.

Donnerstag, 31. März. Endlich erhalte ich Antwort vom Centre de Pastorale liturgique, dem ich schon vor drei Wochen geschrieben hatte, man möge mir einen Liturgiespezialisten schicken, der eine „Woche der Messe” halten sollte aus Anlaß der Heiligen Woche. Natürlich haben sie niemanden zur Verfügung und schlagen mir vor, mich selbst dieser Aufgabe zu unterziehen. Und dann wundert man sich, daß die liturgische Bewegung auf der Stelle tritt!

Sonntag, 3. April, Passionssonntag. Vor jeder Predigt von Pater N. nehme ich das Wort, um nachdrücklich an die Osterpflicht zu erinnern. Meine Pfarrkinder werden sich nicht darüber beklagen können, zu wenig darauf hingewiesen worden zu sein!

Freitag, 8. April. Abendpredigt für die ganze Pfarrgemeinde. Pater N. hat das Bravourstück vollbracht, gleichzeitig über die Gewerkschaften, die Boulevardpresse, den Sport und den Flirt zu sprechen. Er hat sogar noch einige Überlegungen bezüglich des Films, des Kommunismus und der Schulfrage angefügt. Er schloß mit einer sehr schönen Anrufung an die Schmerzensmutter. So hat doch auch der Charakter der Frömmigkeit jener schönen Vortragsreihe nicht gefehlt, die so aktuell und praktisch war.

Palmsonntag. Ich habe die Palmzweige natürlich vor jeder Messe geweiht. Meine Pfarrkinder werden den Sinn dieser Prozession nie verstehen. Und im übrigen, die Prozessionen, im Zeitalter des Atommotors!ᾠ Am Abend war große Jahresversammlung der Bruderschaft vom seligen Tode. Ich habe Christus hingestellt als das erhabene Vorbild eines guten Todes, was doch wirklich liturgisch gerade akut ist.

Mittwoch in der Karwoche. Pater N. hat uns in schönem Einvernehmen verlassen, nach einer meisterhaften Predigt über das Thema: „Jesus Christus im Zeitalter der Sputniks.” Wir werden eine ausgezeichnete Fastenzeit hinter uns haben.

Gründonnerstag. Die Kinder haben ihre Gemeinschaftskommunion mit einer geradezu rührenden Frömmigkeit gehalten. Vor dem Repositionsaltar, der prächtiger geschmückt war denn je, knieten die ganze Nacht hindurch Beter. Wirklich, es gibt noch Opfergeist bei unseren Christen.

Karfreitag. Der Kreuzweg um 3 Uhr hatte eine gewaltige Menge an- gezögen. Zum Gottesdienst am Abend waren — warum, weiß ich nicht — nur wenig Leute da. Die Leidensgeschichte nach Johannes hätte man doch auch, wie die nach Matthäus, kürzen sollen. Was die Kreuzverehrung angeht, so habe ich sie, wie in der guten alten Zeit, an der Kommunionbank vorgenommen, mit kleinem Kreuz (wie viele Zeit spart man dadurch!) und Untersatz (wie viel Zeitᾠ). Aber ich höre lieber auf, man wird mir vorwerfen, nicht liturgisch zu sein.’ Man vergißt dabei, daß ein Pfarrer auch andere Sorgen hat (die Heizungsreparaturen bringen mich noch um).

Karsamstag. Ich habe von drei bis zehn Uhr abend Beichte gehört. Wann hätte ich die Feier der Osternacht vorbereiten können? Aber es hat alles gut geklappt; es war ja nur das gleiche zu tun wie im Vorjahr. Was immer der Grund sein mag — die Teilnahme wird jedes Jahr geringer. Diese Feier ist nicht und kann nicht volkstümlich sein! Ein paar Kerzen um Mitternacht anzünden — das kann die Menge auf die Dauer nicht anziehen, schon gar nicht im Zeitalter des Fernsehens und der Neonleuchten. Da ich gerade von Mitternacht redeᾠ Ich habe mich im Gegenteil so eingerichtet, daß ich vor Mitternacht fertig war. Ich habe deutlich erklärt, daß diese Messe nicht für den Ostertag gelte. Auf diese Weise sind die lauen Christen gezwungen, morgen noch einmal zu gehen. Wohingegen Fräulein Estelle mir für diese Maßnahme gedankt hat, weil sie es ihr erlaubt, zweimal 2u kommunizieren. Ich habe mich, völlig am Ende, schlafen gelegt. Gott sei Dank befreit uns die Reform von Komplet, Matutin und Laudes. Das ist die gute Seite daran.

Ostersonntag. Die Messe um sechs Uhr, für die Männer, ist noch fast ebenso schön wie früher. Ich habe meine Männer beglückwünscht zu ihrer Treue, ihrem Sieg über die menschlichen Rücksichten. Ihr Credo machte in der stillen Messe durch seine rauhe Männlichkeit besonderen Eindruck. Um 11 Uhr hat der Chor wieder die großartige Messe gesungen, die er für das Josefsfest eingeübt hatte. Sie hatten fast jeden Abend geprobt; deshalb konnten sie auch nicht an der Oster- vigil teilnehmen, wo es außerdem für sie ja nichts zu singen gab als ein paar kleine Choralstücke. Leben — das heißt wählen.

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