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Leibhaftigkeit...

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Muß noch immer eigens betont werden, daß Herbert Boeckl (1894 bis 1966) in der Tat einer der ganz Großen der österreichischen, der europäischen Kunst war? Boeckls Zeichnungen und Aquarelle, die samt einigen Ölbildern bis zum 1. September im Museumspavillon beim Zwerglgarten in Salzburg ausgestellt sind, erweisen einen künstlerischen Weg von höchster Qualität und Vollendung. Dieser Weg hatte in der künstlerischen Agonie Wiens nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches begonnen — Klim't, Schiele und Otto Wagner waren gestorben, Kokoschka nach Dresden gegangen. Zwar hatte Schiele Boeckl noch während des Ersten Weltkriegs in einer kleinen Kärntner Galerie entdeckt und seine Arbeiten bewundert.

Doch es wäre falsoh, daraus ein Nahverhältnis Boeckls zu den „kalligraphischen“ Schönheiten des expressiven Jugendstils abzuleiten. An der Wurzel der Zeiohenkunst Klimts und Schieies steht die gepflegte Dekadenz eines unnachahmlich gekonnten Linienkul'ts. Boeckl aber war stets, wie er selbst in seiner Rektoratsrede von 1962 andeutete, von dem fasziniert, „was die Gestalt verlangt“.

Schon die frühen Aktzeichnungen oder die ganz bedeutenden Aquarelle — wie die „Zwei Freundinnen“ — mit ihrem Signum unermeßlicher koloristischer Begabung sind gute Beispiele dafür. Werner Hofmann hat 1966 in einem geistreichen Essay von diesen Blättern gesagt, daß in ihnen „der Gestaltungsanlaß, der menschliche Körper also, nicht dem selbstherrlich abflachenden Formdiktat des Konturs ausgeliefert, sondern als expansive Leibhaftigkeit erlebt wird“. Leibhaftigkeit, als Qualität des Körpers und des Raumes verstanden, das ist das Kennwort, das den Zugang zur visionären Welt des Herbert Boeckl freigibt.

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