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„Lohengrin“ ante portas

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Nach der akklamierten „Katja Kabanova“ und der umstrittenen „Zauberflöte“ hat das Inszenatorenteam Joachim Herz (Regie)—Rudolf Heinrich (Bühnenbild) nun auch den neuen „Lohengrin“ der Wiener Staatsoper betreut, der Wieland Wagners „Lohenblau", wie die wenig geglüokte Transponierung seiner Bayreuther Konzeption nach Wien (1965) genannt wurde, ersetzen wird.

Es wird — wie könnte es anders sein — keine konventionelle Lohen- grin-Inszene werden, keine „Märchenoper“, dies schiene den gestaltenden Herren allzuleicht und auch zu billig. Sie haben sich, wie immer, wenn sie an ein Stück her- angehen, sehr viele und sehr kluge Gedanken gemacht, die von den bereits von Wagner selbst schriftlich niedergelegten vier verschiedenen Interpretationen ausgehen: der autobiographischen („Lohengrin“ als Künstlerdrama), der ‘tiefenpsychologischen („Lohengrin“ als Wunsch- vorstellupg Elsas), der metaphysischen („Lohengrin“ als sinnliche Erscheinung des Göttlichen auf Erden) und der sozialpsychologisch-politischen (Elsa als Symbol der Liebe und des Volksgeistes, Ortrud als Symbol der Reaktion, des liebeleeren, mörderischen Fanatismus).

Absolut neu ist die Absicht, die Situation Brabants und seiner Bewohner um 933 so zu zeigen, wie sie wirklich war, nämlich schlecht: die öffentliche Not (der drohende Krieg gegen die Ungarn) und die private Not (Mordanklage gegen Elsa) erzeugen den Doppelwunsch, der in Lohengrin Fleisch und Blut annimmt, zur Inkarnation wird. Der „Lohengrin“, wie Herz und Heinrich ihn konzipiert haben, spielt nicht a priori in einem Märchenland, sondern in einer sehr realen, nüchternen, kargen Weit, in die das Wunschmärchen erst einbricht. So wie die Summe aller Nöte und Hoffnungen des Volkes schon den Gral als fernen, unabhängigen Zufluchtsort erschaffen hat, sq; errafft sie auch Lohengrin, den Retter, der „von tirüben“ kommt und daran scheitert, weil er als Mensch leben und kein Wunder bleiben will,

es aber dennoch muß. Elsa wieder zerbricht daran, daß sie das Wunder ihrer Rettung nicht einfach hinnehmen, sondern Lohengrin gleichberechtigte Partnerin sein, für ihn leiden, für ihn etwas leisten will. Elsa ist also nicht die neugierige Gans, für die sie oft gehalten wird, obwohl sie als solche nie konzipiert war (schon ihr Schöpfer nannte sie ein „herrliches Weib“, wenn Ihm diese Erkenntnis auch erst im Laufe der Arbeit bewußt wurde).

Nach Ende des Vortrages, in welchem Joachim Herz und Rudolf Heinrich ihre Gedanken dargelegt hatten, sprach ein Diskussionsteilnehmer erregt und recht voreilig bereits von einer „Ermordung des Lohengrin“, worauf ihm die Herren Inszenatoren mit mildem Lächeln empfahlen, sich die Aufführung doch erst einmal anzusehen. Erst dann wird man ja wirklich beurteilen können, ob der neue „Lohengrin“ nun eine „schöne Leich’“ wird oder nicht.

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