Lohengrin verirrt sich und kehrt nicht zum Gral zurück

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Mit dem neuen „Lohengrin“ bestätigte Regisseur Hans Neuenfels seinen Ruf als Enfant terrible. Er inszeniert Wagners „allertraurigste Oper“ als Geschichte der Hoffnungslosigkeit. Dabei bleibt vieles an seinem szenischen Konzept kryptisch. Auch die musikalische Seite ließ Wünsche offen – Bayreuth-Debütant Andris Nelsons überzeugte nur teilweise.

Wer Hans Neuenfels engagiert, weiß, was ihn erwartet: eine radikale, wenigstens ungewohnte Auseinandersetzung mit einem Sujet. Auch am „Grünen Hügel“, wohin man den 69-Jährigen erstmals eingeladen hatte, wich er davon nicht ab. Wagner nannte „Lohengrin“ seine „allertraurigste Oper“, wurde der Regisseur nicht müde, in Interviews zu betonen. Nicht Hoffnung, sondern Hoffnungslosigkeit ist folgerichtig die Botschaft, die Neuenfels offensichtlich mit seinem „Lohengrin“ übermitteln will.

Offensichtlich, denn vieles an seiner szenischen Deutung bleibt kryptisch.

Wenigstens dass das Stück alles andere als gut ausgehen werde, erfährt man gleich zu Beginn: Wenn der Heerrufer (prägnant Samuel Youn) mit sich ihm aufstellenden Haaren auftritt, Elsa mit Speeren im Rücken die Bühne betritt und König Heinrich beim Anblick seiner Untertanen in die Knie geht. Kein Wunder, sie haben sich in Ratten verwandelt, die im Zuge des Geschehens vielfach ihre Gewänder, damit auch ihre Farben wechseln. Hochintelligent, gefährlich, gefräßig, ordinär sich vermehrend, eklige wie possierliche Nager – so beschreibt sie der Regisseur. Für ihn eine Chiffre für die Wandlungsfähigkeit, auch die Charakterlosigkeit der Menschen.

Ratten im Versuchslabor

Wie sehr sie sich gewissermaßen selbst immer wieder als „Versuchskaninchen“ zur Verfügung stellen, demonstriert die Regie schließlich damit, dass sie generell die Situation eines Versuchslabors (Bühnenbild: Reinhard von der Thannen) suggeriert. Zudem werden auf einer Videoleinwand drei „Wahrheiten“ eingespielt, welche unverzüglich mit der Problematik dieses Begriffs konfrontieren. Beginnend mit Telramunds Beschuldigung, Elsa habe ihren Bruder Gottfried getötet, damit ein heimlicher Liebhaber die Herrschaft über Brabant antreten könne, über den Glauben an den automatischen Sieg des Guten über das Böse bis zum Aufzeigen, wie sehr eine dem Leittier bedingungslos folgende Masse ins Leere stürzt, wenn dieses zum Gerippe zerfällt.

Assoziationen, die Grundsätzliches betreffen, in dieser Produktion aber so dominant präsentiert werden, dass kaum mehr Platz für das Erzählen der eigentlichen Geschichte bleibt, die zudem mit keinem finalen Lösungsansatz aufwartet. Denn Neuenfels’ Sicht, er glaube, Lohengrin kehre nicht zum Gral zurück, sondern verirre sich, bleibt szenisch bestenfalls vage.

Auch musikalisch ist dieser „Lohengrin“ Stückwerk. Nicht nur weil Bayreuth-Debütant Andris Nelsons an der Spitze des unterschiedlich homogenen Orchesters nur teilweise das Gespür für weite Bögen und den typischen Bayreuther Mischklang aufblitzen ließ und es mit der Koordination zwischen Bühne und Orchester nicht immer klappte. Evelyn Herlitzius gab eine zu hysterisch-kreischende Ortrud, Annette Dasch eine zu zurückhaltend noble Elsa – und Jonas Kaufmanns Lohengrin hätte mehr viriler Ausdruck nicht geschadet. Rollendeckend Georg Zeppenfelds König, artikulationsklar Hans-Joachim Ketelsens Telramund. Gewohnt klangmächtig, wenn auch nicht immer verständlich, der Festspielchor.

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