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Lustige Landstreicher

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1922 starb Karl Michael Ziehrer im Alter von 79 Jahren. Mit ihm ging ein noch der alten Wiener Generation zugehöriger Musiker dahin, der zu seinen Lebzeiten als österreichischer Militärkapellmeister, als Dirigent eines eigenen, in Amerika erfolgreich auftretenden Orchesters und schließlich als Hofball-Musikdirektor sehr populär, noch mehr aber als Komponist bekannt war. Vor allem war es seine typisch altwienerische Tanzmusik, die mit ihrer Melodik und zündenden Rhythmik die Wiener begeisterte und auf zahllosen Bällen gespielt wurde, aber auch heute noch oft zu hören ist. Auch schmissige Märsche gelangen dem Militärmusiker aufs beste.

Nicht gleich erfolgreich war Ziehrer mit seinen Operetten. Nach einigen Versuchen, darunter die Operetten „Wiener Kinder“ und „Die Deutschmeister“, gelang ihm der große Wurf mit den „Landstreichern“, dem „Fremdenführer“ und dem „Schätzmeister“, auch die „Drei Wünsche“ und „Fesche Geister“ konnten sich längere Zeit halten. Was der Komponist aber in der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg schrieb, erwies sich als ein Fehlschlag nach dem anderen, nicht zuletzt auf Grund der miserablen Textbücher, aber auch der durch sein leichtes Schaffen begünstigten Vielschreiberei.

Nun hat sich das Raimundtheater mit der Wiedererweckung des erfolgreichsten Ziehrer-Werkes, der „Landstreicher“, einer dankenswerten Aufgabe unterzogen. Das von Krenn und Lindau herrührende Libretto (Neutextierung von Hans Fretzer) behandelt die Abenteuer der Landstreicher Berta und August Fliederbusch, die, zuerst wegen Schmuckdiebstahls eingesperrt, in der Verkleidung eines Fürstenpaares sich's in einem Hotel gut gehen lassen und schließlich durch allerlei Tricks sich gut aus der Affäre ziehen. Die Musik hat einen typisch wienerischen Einschlag und kommt am besten an in den Gesangsduetten der beiden Landstreicher, in einigen re-schen Märschen und in zwei Schlagerwalzern.

Dieser Halloh-Fröhlichkeit ist auch die Inszenierung Hons Fretzers angepaßt, er hat die Handlung in ein wienerisch-gemütliches Milieu des zu Ende gehenden 19. Säkulums versetzt. Seine Regie verbindet gute Einfälle mit einem den Solisten und dem Chor mitgegebenen, rasanten

Spieltempo. Vorzüglich das Ballett (Choreographie Avrantova), nett die schwarz-weißen Bühnenbilder Wind-bergers und die Kostüme Gerdagos.

Unter den Solisten dominieren die quicklebendigen Landstreicher Kurt Liederers und Inge Karstens, desgleichen die elegante Nana Goutos als Tänzerin Mimi. Als Komiker räumen Else Rambausefc und die Herren Dobravsky und Nowak gewaltig ab. Gut Hans Krasa und Peter Josch in kleineren Rollen. Das Orchester unter der Leitung Herbert Moggs musizierte mit Schmiß und Reschheit. Premierenjubel ä la Raimundtheater.

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