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Musikshow Gulda

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Hervorstechend und einen gewissen Anspruch auf Intimität mit dem Zuhörer andeutend war das durchaus Unkonventionelle von Friedrich Guldas Klavierabend, das sich in der Bekleidung des Künstlers mit einem Rollkragenpulli, seinem schlacksig- legeren Gang, der mündlichen Ansage der Vortragsfolge und sozialkritischen und musikalischen Äußerungen des Pianisten im Programmheft kundgab: Eine Abkehr vom traditionellen Konzertbetrieb, dem in vielem zuzustimmen ist. Es begann mit Präludien und Fugen aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, ganz bachisch unemotionell gestaltet, die Präludien plastisch klar, streng rhythmisch durchgehalten, die Fugen pedalisch etwas verwischt, ansonsten in Thema, Gegenthema und Kontrapunkt mit streng gestochener Genauigkeit, alles mit voller Breitseite pianistischer Virtuosität abgeschossen. Daß sich aber das anfänglich kaum bemerkbare Taktieren mit einem Fuß schließlich zu einem heftigen Aufstampfen steigerte, desgleichen — von einigen auffallend fein abgestimmten Pianostellen abgesehen — das Spiel immer mehr zu einem Forterausch entwickelte, war das weniger Angenehme des Unkonventionellen.

Die Neigung zum Extrem, die sich schon im ersten Teil des Abends ankündigte, wurde im folgenden Jazz- abschnitt zur Freude der Gulda-Fans weiter ausgebaut. Zehn Übungsstücke unter dem Titel „Play Piano Play“ boten hiezu reichlich Gelegen heit. Es sind teilweise traditionelle Formen benützende, in Jazzverpackung dargebotene Kompositionen, die dem melodischen Improvisationstalent Guldas entsprungen zu sein scheinen, gleichzeitig Bonbon- lutschen und Wurstsemmelessen vertragen und sich nett anhören. Was sich dabei — wieder das Extrem in einigen sordinierten Interludien bestätigend — in zunehmenden Forteexzessen tat, war kaum zu überbieten, desgleichen die mit dem Aufstampfen beider Füße ausgeführte Begleitung der Klavierproduktion.

Friedrich Gulda, der sich an diesem Abend in erster Linie als glänzender Virtuose deklarierte, möchte man ins Stammbuch schreiben, daß sich das — seiner Meinung nach — „faschistoid ausgerichtete Publikum klassischer Konzerte“ wahrscheinlich gerne wieder einen Beethoven aus Guldas früherer Zeit anhören würde, ohne nach der Befürchtung des Künstlers „vor der klassischen Musik in Ehrfurcht auf dem Bauch zu liegen“.

1 In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kartographie der österreichischen Akademie der Wissenschaft wird derzeit an Wiener allgemeinbildenden höheren Schulen von Karl Grohmann ein Test über die Auffaßbarkeit von Kartenzeichen durchgeführt. Die Ergebnisse sollen wichtige Aufschlüsse für eine richtige alters- und bildungsgerechte Gestaltung von Schulkarten und Atlanten erbringen.

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