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Neuauflage wurde Epitaph

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Es ist phantastisch, daß in unserer der Phantasielosigkeit verschriebenen Zeit „Die phantastischen Romane“ als Markenname in einem Verlag reihenweise erscheinen, be-beziehungsweise wiedererscheinen können — ein Angebot, das die Nachfrage kühn vorweggenommen hat. Nach zwei Werken von Leo Perutz und einem von Alexander Lernet-Holenia wurde die interessante Serie inzwischen ebenso interessant fortgesetzt.

Der köstlich raffinierte Roman „Mars im Widder“ wurde von Alexander Lernet-Holenia, der nach dem Polenfeldzug 1939 (den er als Reserveoffizier mitgemacht hatte) beurlaubt war, um die Jahreswende 1939/40 in einem Zuge binnen zwei Monaten geschrieben und dann in einer Zeitschrift als Vorabdruck veröffentlicht. 1941 lag das Buch im Verlag S. Fischer auslieferungsbereit vor und wurde auf einmal verboten. Die Geschichte handelte nämlich in den letzten Tagen vor dem Kriege und während des Polenfeldzuges, und die Hauptfigur war ein Wiener Reserveoffizier. Das Geschehen in der Erzählung erschien zwar parapsychologisch „verfremdet“, doch war man „oben“ zweifellos befremdet von den offensichtlich echten Tagefouch-Einschüben eines Kriegsteilnehmers, dessen Teilnahmslosigkeit für den nationalen Aufbruch gar nicht au übersehen war. Auch wurden in dem zeitlich hochaktuellen Roman die Kriegsvorbereitungen ohne weiteres ausgeplaudert, somit ein damaliger Geschichtsfälschungs-versuch eiskalt korrigiert. Außerdem war den hochgestellten Geheimbündlern (die dann aufflogen) in dem Infolgedessen als ominös beurteilten Roman nicht anzumerken, daß es sich etwa um ausländische Provokateure handelte. Sie ähnelten eher einer bodenständigen Widerstandsgruppe, waren überhaupt recht sympathische Leute, und das mußte ifüglich auf ein NS-Propagandamini-isterium im höchsten Grade unsympathisch wirken. Dieser phantastische Roman von Alexander Lernet-Holenia hat somit selber eine romanhaft phantastische Geschichte, die ebenfalls von Alexander Lernet-Holenia sein könnte.

Das Neuerscheinen dieses gesinnungsstarken, anständigen Buches ist besser 'als hundert respektvoll-uninteressierte Nachrufe cuf den jüngst verstorbenen Dichter und ebenso aufrechten wie schwierigen Mann.

MARS IM WIDDER. Von Alexander Lernet-Holenia. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien/Hamburg. 268 Seiten, öS 150.—.

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