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Politiker und Theologe

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Der Nachfolger des Prinzen Sadrud- din Aga Khan kommt aus Dänemark und heißt Poul Härtling. Aga Khan hat nach zwölf Jahren den Posten eines UN-Flüchtlingskommissars zurückgelegt. Auf Veranlassung des dänischen Ministerpräsidenten Anker Jörgensen haben die fünf nordischen Länder Härtling vorgeschlagen. Die Generalversammlung der UNO begrüßte die Nominierung des dänischen Politikers ohne Gegenstimme.

Poul Härtling ist eine der profiliertesten Persönlichkeiten der dänischen Politik. Seit 1965 war er Obmann der bäuerlich-liberalen Partei „Venstre“, von 1968 bis 1971 Außenminister einer bürgerlichen Koalitionsregierung und von Dezember 1973 bis Februar 1975 Ministerpräsident einer liberalen Minderheitsregierung. Es war Härtling, der im Dezember 1973 dazu ausersehen wurde, den steckengebliebenen Karren der dänischen Politik wieder flottzumachen, als bei den sogenannten „Katastrophenwahlen“ fünf neue Parteien ins Folketing einzogen, die regierenden Sozialdemokraten ein Drittel ihrer Wähler verloren und Mo- gens Glistrup mit seinem Appell an den Egoismus über Nacht Führer der zweitgrößten Partei Dänemarks wurde.

Härtlings Politik wird von Freunden und Gegnern als zielbewußt und kompromißlos bezeichnet, seine Kritiker sprechen allerdings auch von Machtdenken und mangelnder Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Doch daß es gerade sein Gegenspieler Anker Jörgensen, sein sozialdemokratischer Vorgänger und Nachfolger als Regierungschef war, der Härtling für den hohen Posten bei den Vereinten Nationen vorschlug, zeigt, daß abseits aller politischen Zwiste Härtling auch im Lager des „Feindes“ hohe Wertschätzung genießt.

Der Mensch Poul Härtling ist durch ein engagiertes Christentum entscheidend geprägt. Er studierte Theologie und war viele Jahre lang Pastor der evangelischen Volkskirche, ehe er sich ganz der Politik zuwandte. Er hat eine Reihe von theologischen Werken veröffentlicht und vermag mit Radiopredigten auch Hörer anzusprechen, die seiner Partei keine Sympathie entgegenbringen. Erst im letzten Sommer wieder konnten Dänemarks Radiohörer in der Morgenandacht „Bei Tagesanfang“ bemerken, daß das Christentum für Härtling nicht leere Phrase, sondern Lebensinhalt ist.

Im neuen Jahr wird Härtling aus der dänischen Politik nach Genf übersiedeln, wo die UN-Flüchtlingskommis- sion ihren Sitz hat. Sein neuer Posten mit dem das Amt eines UNO-Vizege- neralsekretärs verbunden ist, dürfte der ranghöchste sein, den je ein dänischer Bürger in der internationalen Politik bekleidet hat. Die Wahl Härtlings wird in Skandinavien auch als Anerkennung für den Beitrag gewertet, den die nordischen Länder seit vielen Jahren ideell und finanziell für das Flüchtlingswesen leisten.

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