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Warten auf den Starken Mann

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Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so bringen die für den 9. Jänner angesetzten dänischen Parlamentswahlen eime Veränderung der politischen Szene. Die Taktik des Leiters der Mimderheitsregierumg und Führers der „Venstre”, Poui Härtling, im Zeichen einer rasch sich verschärfenden Wirtschaftskrise die Wähler um die Zustimmung zu einem Regierungsprogramm zu ersuchen, das einschneidende Entbehrungen mit sich bringt, auf längere Sicht aber eine wirtschaftliche Gesundung verspricht, scheint sich als wohlüberlegt zu erweisen. Während die von der Regierungspolitik überraschten Oppositionsparteien erst ihre Abwehrkolonnen formieren müssen, überschüttet die Venstre die Wählerschaft mit 500.000 Exemplaren des Regierungsmanifestes, das nichts anderes ist als jener Krisenplan, gegen den sich die Oppositionsparteien am 5. Dezember ausgesprochen haben, und der — nach Härtling — den einzigen Weg auf zeigt, der aus einer scheinbar ausweglos gewordenen Situation herausführen kann.

Alle rechts und links von der Venstre stehenden Parteien dürften in der Zukunft noch oft Gelegenheit haben, darüber nachzudenken, was sie eigentlich in die Situation des 5. Dezember 1974 und schließlich auch des 9. Jänner 1975 geführt hat. Der „Gesamtplan zur Krisemiösung” enthielt — für dänische Verhältnisse zweifellos brutale Eingriffe in das Wirtschaftsleben und setzte das Recht auf freie Verhandlungen auf dem Arbeitsmarkt außer Kraft. Er beseitigte auch die Bindung des Lohnniveaus an den Index der Lebenshaltungskosten, die den dänischen Arbeitnehmern zwei- bis dreimal im Jahr außertarifliche Lohnzuschläge gebracht hatte. Er bedeutete ein Einfrieren der Preise und Löhne bis Ende des Jahres 1975, neben anderen bitteren Pillen. Dieser Kfiseh- plam war zwar scharf kritisiert, aber er war keineswegs rundwegs abgelehnt worden. Die Sozialdemokraten und auch die bürgerlichen Oppositionsparteien — waren beredt, wesentlichen Punkten zuzustimmen, nur sollte die wirtschaftliche Sanierung — so lautete vor allem die Forderung der Arbeiterpartei — nicht auf Kosten der Arbeitslosen gehen worauf Härtlings Krisenplan nämlich auch hinauslaufen könnte. Man wünschte die Beachtung eigener Pläne und gewisse Änderungen. Doch Härtling bestand in ultimativer Form auf der bedingungslosen Annahme, und schon die Schärfe dieser Forderung machte es den anderen Parteien unmöglich, für Härtlings Plan zu stimmen. Der geschickte Taktiker wartete nicht einmal die Abstimmung ab — die zweifellos den Sturz der Regierung zur Folge gehabt hätte —, sondern ersuchte bereits nach kurzer Aussprache die Krone um die Ausschreibung von Neuwahlen.

Königin Margrethe weilte an diesem Tage in England, Königin- Mutter Ingrid fertigte als Reichsverweserin den verlangten „Königlichen Offenen Brief” an das Parlament aus. Obwohl sie eine solche Taktik Härtlings durchaus für möglich gehalten hatten, konnten die Führer der Oppositionsparteien die Parlamentsauflösung nicht verhindern, Härtling aber machte dadurch den Regierungssturz unmöglich, was, wie die Verhältnisse in Dänemark nun liegen, der amtierenden Regierung große Vorteile bringt. Der durch lange Zeit unterschätzte Führer der ehemaligen Bauernpartei hat sich als ein äußerst geschickter Taktiker und sehr robuster Polätiker erwiesen!

Die Jensens und Andersens in den kleinen Industriestädten Dänemarks sind zweifellos vom Wirken ihrer Politiker tief enttäuscht. Das drückte sich schon im Vorjahr in dem Wahlerfolg der Unzufriedenen-Parteä Glistrups aus, die im ersten Anlaui 15,9 Prozent der Stimmen und 28 Mandate erringen konnte. Härtling machte kein Hehl daraus, daß er vor allem auf Zulauf aus diesem Lager hoffe. Eine am 10. Dezember vorgenommene Untersuchung ergab jedoch, daß Gllstrups Partei immer noch 12 Prozent der Wählerschaft umfaßt, während die kleinen bürgerlichen Parteien der Radikalen und der Konservativen halbiert wurden und die Zentrums-Demokraten des abtrünnigen früheren Sozialdemokraten Jakobsen sogar von 7,8 auf 1 Prozent zurückfielen. Nach dieser Untersuchung soll nun Härtling nicht weniger als 30 Prozent der Wählerschaft für sich und seine Politik der harten Hand gewonnen haben. Die Sozialdemokraten aber liegen nach wie vor bei ihren bescheidenen 26 Prozent und haben sich von der schweren Niederlage im Dezember 1973 immer noch nicht erholen können.

Sollte die Wahl vom 9. Jänner ein ähnliches Resultat bringen, dann würde das Recht auf die Regierungsbildung automatisch der Venstre zu fallen. Zum erstenmal seit dem Durchbruch der parlamentarischen Demokratie in Dänemark besäße eine bürgerliche Partei die klare Führungsposdtion. Zusammen mit nur einer Partei — nämlich der Arbeiterpartei — könnte sie eine arbeitsfähige Regierung bilden, in der Härtling natürlich die erste Geige spielen würde. Die politische Szene hätte eine grundlegende Wandlung erfahren — wenn, ja wenn eben die Linke und die Gewerkschaftsfront einer solchen Zusammenarbeit zustimmen, was heute niemand vör- auszusagen wagt.

Unter allen Umständen kommen auf das Dänenvolk Tage schwerer Einschränkungen und Entbehrungen zu. Die düsteren verflossenen Feiertage waren, nur eine Vorwarnung. Die sichtbar gewordenen Hoffnungen auf einen Starken Mann eröffnen zudem keine besonders ansprechenden Perspektiven. Was tröstend wirken mag, ist trotz allem ein gewisser Galgenhumor, der sich darin ausdrückt, daß einige Leute vom Femsehen eine Propagandastunde auch des Fernsehens ebenso unverfroren, für die Nichtwähler verlangten, die nämlich von sechs bis acht Uhr vor- keiner Partei mehr trauen. Die gebe mittags. Es ist die Zeit, in der nie- es ja bereits, antwortete die Leitung mals gesendet wird…

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