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Digital In Arbeit

Plauderei üLer Sprachschnitzer

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Es geht der Wifz um, daß ein Mann seiner Angebeteten seine Liebe mit den Worten: „Ich liebe dir!' erklärt. Die Angeschmachtete belehrt darauf ihren Liebhaber, dal; es sich hier nicht um den dritten, sondern um den vierten Fall handelt, und der Verehrer antwortet prompt: „Ach, meine Teure: dritter oder vierter Fall! Ich liebe dir auf alle Fälle!" — Es bliebe nichts übrig, als über den Wifz zu lachen, wenn man nicht Grund zum Klagen hotte darüber, daß über den Witz auch solche lachen (ja, sogar den Witz sogar weitererzählen), die selber wider den Geist des Akkusativs sündigen. Sie sagen (und schreiben) zwar nicht: „Ich liebe dir!', aber sie setzen den Dativ anstatt des Akkusativs in anderen Sätzen. Sie sagen (und schreiben — und setzen in die Zeitung! —) zum Beispiel: „Das kostet m i r ein Heidengeld", „Es kostet d i r nichts", „Es kostet dem Staat jährlich eine Million”, „Es hat der Frau ein Auge gekostet", „Es hat dem Kind das Leben gekostet", „Es kostet Ihnen die Stellung", „Es kostet Ihnen nicht viel." — Und warum sagen sie so? — Aus dem kühlen Grunde, weil sie — unrichtig — mit „wem?" fragen, anstatt — richtig — mit „wen? . Auf die Frage: „W e n kostet es ein Heidengeld — nichts — eine Million — ein Auge — das Leben — die Stellung — nicht viel?" müßten sie ja — richtig — antworten: „M ich — dich — den Staat (also i h n, nicht: ihm) — die Frau (also s i e, nicht: ihr) — das Kind (also e s, nicht ihm) — sie und S i e kostet es ein Heidengeld, eine Million, ein Auge" usw. Zum „zielenden” Zeitwort „kosten" gehört eben der vierte Fall, nicht der dritte!

Noch viel öfter kann man die folgende Sprachsünde hören (und leider auch gedruckt sehen!): „Laß es m i r lesen!", Ich lasse es dir, dem Gatten (also ihm), d e r Gattin (also ihr), dem Kind (also i h m), den Freunden (also ihnen), Ihnen, Herr Meier, lesen (oder: wissen, oder: entgelten).’ Das alles ist ja unrichtig! — Und wieder deswegen, weil mit „wem?” gefragt wird, anstatt mit „wen?". Auf die — richtige — Frage: „W e n lasse ich dies oder jenes lesen (oder: entgelten, oder: wissen)?’ erhält man die — richtige — Antwort: „Laß es mich lesen!’, „Ich lasse es dich, den Gatten (also ihn), die Gattin (also sie), das Kind (also es), die Freunde (also sie), Sie, Herr Meier, lesen (oder: entgelten, oder: wissen).' Nicht?

Solche kleine Lektion wollte ich (da es ein anderer noch nicht getan hat) das (oder dem?) Zeitungspublikum lesen lassen — auf die Gefahr hin, daß diejenigen, die all das schon selber wissen und die ich mit meiner Lektion nur langweile, es mich (oder mir?) entgelten lassen…

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