7074449-1993_13_10.jpg
Digital In Arbeit

Rettungsversuche

Werbung
Werbung
Werbung

Wohltuend hebt sich Ernst Noltes sorgfältige und umfassende Kenntnisnahme eines so komiexen wie komplizierten philosophischen Lebenswerkes ab von all den meist dürftig einseitigen Polemiken gegen Martin Heidegger, die besonders dessen angebliche Position im Dritten Reich (be)treffen wollen. Diese hat freilich auch der Historiker Nolte im Auge; als Wortführer im „Historikerstreit" versucht er nun am Beispiel Heideggers „die Innenseite dieser totalitären Jahrzehnte des Zeitalters" weiter zu erhellen. Schade nur, daß er dazu werkfremde Kriterien anlegt: sein eigener zeitgeschichtlicher Entwurf hat nämlich mitnichten die erhoffte „Möglichkeit geschaffen, Heideggers Stellung in seiner Zeit" zu bestimmen. Dies träfe höchstens, allzu äußerlich, auf die Person, auf den Denker zu, nicht aber auf ein Denken, das ganz neuartige Zeit- und Geschichtshorizonte allererst eröffnet und sich damit, viel weiter als nur von Meßkirch oder Todtnauberg im Schwarzwald herkommend, jeder vorgängig fixierten Kategorisierung entzieht. So muß der Gefahr gründlichen Mißverstehens trotz redlichster Absicht erliegen, wer die Unter-Scheidung versäumt.

Ein anderer Versuch indessen beschwört ausdrücklich raunend „Die Gefahr des Rettenden" (allzu frei nach dem von Heidegger eigens bedachten Hölderlin-Wort: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch"). Der sogenannten „Wahrheit Heideggers/ Hölderlins ist er aber keineswegs gewachsen; der erklärte Vorsatz, einer „Vermischung das Wort zu reden", bringt nur diffuses Gleiten hervor, vorbei an mancherlei Streiflichtern auf Literarisches von Kafka bis Proust: „Glissements, denn das Denken hat ja keine Beine". Am anvisierten Phänomen Heidegger redet so naturgemäß erst recht vorbei, wer anfangs dogmatisch konstatiert: „Heideggers nationalsozialistisches Engagement ist eine Fortführung seiner Philosophie, davon haben wir auszugehen". Damit kann man sich doch wirklich mühselige Arbeit philosophierenden Nach-Denkens ersparen!

HEIDEGGER. Politik und Geschichte im Leben und Denken. Von Ernst Nolte. Propyläen Verlag, Berlin/Frankfurt a. Main 1992.330 Seiten, öS 375,-.

DIE GEFAHR DES RETTENDEN. Von Leopold Federmair. Deuticke Verlag, Wien 1992. 124 Seiten, öS 248,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung