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Teurer Griff ins Archiv

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Den leidenschaftlichen Briefmarkensammlern ist es sicher schon aufgefallen: eine Briefmarke der österreichischen Post ist derzeit nicht erhältlich. Der Grund dafür? Sie ist Zankapfel im Streit um verletzte Urheberrechte eines Fotografen.

Die Marke im Wert von 4,50 Schilling zeigt das Innere einer Kirche, und der grafische Gestalter des Post-Wertzeichens verwendete als Vorlage dafür ein Foto. Der Fotograf wurde nicht gefragt und konnte die grafische Umsetzung seines Fotos plötzlich auf Briefen und Ansichtskarten erblicken.

Obwohl der Rechtsstreit noch nicht ausgefochten ist, hat die Post vorsichtshalber die Briefmarke eingezogen. Rechtsanwalt Michael Walter vom Rechtsschutzverband für Fotografen meint dazu: „In diesem Prozeß wird sich nun herausstellen, wo die Grenzen des Urheberrechts gegenüber dem Staat liegen.“

Längst ist der „Foto-Raub“ (FURCHE 22/1988) kern Exklusiv-Vergehen der Medienbranche mehr. Jeder, der in irgendeiner Weise unvorsichtig mit Bildmaterial umgeht, kann der nächste sein, den eine Klage trifft. Michael Walter meint: „Es werden diese Ansprüche in großer Zahl geltend gemacht. Denn es ist eine alte, schlechte Sitte in Osterreich, sich Fotos einfach zu nehmen.“

Aber auch der Carl Ueberreuter Verlag scheint wieder einmal mit einem Projekt des ehemaligen Verlagsangestellten und jetzigen , .Kurier“- Vorstandsmitgliedes Michael Grabner die Geister des Urheberrechtsschutzes wachgerufen zu haben. Das Buch „Wall-nöfer. Mein Leben in Tirol“ von Herwig Schmidl und Roland Bauer könnte ähnlich wie die Vranitzky-Biograf ie von Hans Rauscher den Verlag teuer zu stehen kommen. Es befinden sich mehr als zehn Lichtbilder, darunter auch das Titelfoto, des Fotografen Wolfgang Zoller darin, ohne daß sein Name irgendwo erwähnt wäre oder er verständigt wurde.

Zoller schildert seinen Fall folgendermaßen: „Ich habe schon vor dem Erscheinen des Buches davon erfahren, ich habe zweimal beim Verlag urgiert. Sie haben mir eine wirklich lächerliche Summe für die Fotos geboten, aber wahrscheinlich war das Buch zu diesem Zeitpunkt schon in Druck.“

Ursprünglich hatte Zoller die Aufnahmen für den Tiroler ÖVP-Wahlkampf hergestellt. Vom Partei-Sekretariat müssen sie dann zum Verlag gelangt sein. Derzeit bemüht man sich noch um einen außergerichtlichen Vergleich. Michael Walter rät in jedem Fall auf der Rechnung zu einem Vermerk über den Verwendungszweck der Fotos. Michael Kress von der Journalistengewerkschaft weist daher auf die Notwendigkeit eines durch den Fotografen mitgelieferten Bildtextes hin: „Da habe ich die Gewißheit, daß es nicht anders verwendet wird, als ich wollte.“

Besonders problematisch wird es bei Raubkopien mittels elektronischer Hilfsmittel. Damit können Bilder oder Bildteile perfekt aus Zeitungen oder Büchern kopiert werden. Der ORF ist übrigens bei Sendung eines Standfotos, da das Foto ausgestrahlt und nicht vervielfältigt wird, nicht zur Namensnennung des Bild-Herstellers verpflichtet.

Auch „Kurier“-Fotograf Kri-stian Bissuti erlebte seine Foto-Wunder mit dem ORF. Er erhielt plötzlich einen Brief von der Honorarabteilung des ORF (siehe Faksimile), in dem ihm für die Ausstrahlung von drei seiner Fotos in „Hier bin ich Mensch“ die „beleidigend niedrige Summe“ von je 150 Schilling geboten wurde. Bissuti selbst war über eine Weitergabe seiner Fotos vom „Kurier“-Archiv an den ORF nicht verständigt worden. Er lehnte eine Ausstrahlung ab.

„Kurier“-Fotograf Gerhard So-kol meint: „Zu den Fotos im Archiv hat man leicht Zugang, und der Konkurrenzdruck ist enorm groß. Wenn ich nicht liefere, liefert ein anderer.“

Im übrigen ist ebenfalls Vorsicht bei Fototapeten angeraten. Ein Fotograf in München knipste in seinem Atelier vor dem Hintergrund einer Fototapete — ohne Zustimmung des Urhebers. Der Oberste Gerichtshof entschied: Obwohl nur als Kulisse verwendet, muß der Münchner Kollege teuer für seine Unvorsichtigkeit bezahlen.

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