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Ungarn verlieren Lust an DDR

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Das erste Gastarbeiter-Abkommen Sowjeteuropas wurde im Mai des Jahres 1967 in Ostberlin zwischen der DDR und Ungarn unter- i zeichnet. Die anfänglich fünfjährige Gültigkeit dieser Abkommen wurde später bis 1976, dann bis 1970 verlängert. In der ersten Dekade arbeiteten insgesamt 33.000 ungarische Jungarbeiter in der DDR, jeweils drei Jahre lang. Ursprünglich wurden die Arbeitsverträge von den zuständigen staatlichen Stellen abgeschlossen, in den letzten Jahren jedoch von den einzelnen verstaatlichten Unternehmen. Etwa 30 ostdeutsche Unternehmen waren Arbeitgeber der Ungarn, unter denen sich auch 256 junge Ingenieure befanden. Die Ungarn waren in Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Erfurt, Warnemünde, Rostock und Ludwigsfelde beschäftigt.

Junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren ohne Sorgepflicht für Angehörige konnten sich nach Ableistung des Militärdienstes in Ungarn oder nach vorläufiger Suspendierung vom Dienst als Gastarbeiter auf drei Jahre verpflichten. Die Löhne variierten zwischen 560 und 620 Ostmark, wozu die Betriebe zusätzliche Begünstigungen im Werte von 120 Mark, meist in Form von Naturalien, beisteuern müssen.

Heuer zeigt die Zahl der ungarischen Gastarbeiter in der DDR zum erstenmal sinkende Tendenz. Jähr lich gingen bisher rund 4000 Gastarbeiter aus Ungarn nach Ostdeutschland. Heuer aber meldeten sich knappe 2.500 und die angebotenen Stellen konnten nicht mehr alle besetzt werden. Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Gründe.

In Ungarn herrscht Arbeitskräftemangel und die Unternehmen versuchen daher, die Jungarbeiter an sich zu ziehen. Zahlreiche Gastarbeiter kamen überdies höchst unzufrieden aus der DDR heim, weil ihnen nur unqualifizierte Arbeiten zugewiesen worden waren. Dazu , kommt noch, daß die Gastarbeiter nach der Heimkehr ihre früheren Arbeitsplätze in den Betrieben besetzt fanden und oft mit schlechten Arbeitsplätzen vorlieb nehmen mußten. Kurzum: es erwies sich für Ungarn als nicht attraktiv, in der DDR als Gastarbeiter zu arbeiten. Das Erlernen der deutschen Sprache und die eventuelle Ausbildung an einem neuen Berufsfach boten ebenfalls keinen Anreiz mehr.

Wie es mit weiteren Gastarbeiterrekrutierungen aussehen wird, läßt sich natürlich nicht Voraussagen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit, daß die laufenden Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten nicht mehr verlängert werden können oder doch wesentlich modifiziert werden.

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