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Zeugen ihrer Zeit

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Leon Askin, gebürtiger Wiener, einer der bedeutendsten Charakterdarsteller Hollywoods und Mitglied der “Oscar“ -Jury, hofft auf einen Erfolg für “38“ von Wolfgang Glück.

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Leon Askin, gebürtiger Wiener, einer der bedeutendsten Charakterdarsteller Hollywoods und Mitglied der “Oscar“ -Jury, hofft auf einen Erfolg für “38“ von Wolfgang Glück.

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Genau um fünf Uhr dreißig am Morgen des 11. Februar dieses Jahres verkündete die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences in Beverly Hills, Kalifornien, vor Hunderten von Journalisten, Radio- und Fernseh-Re- portern, daß der österreichische Film „38 - auch das war Wien“ von Wolfgang Glück nach einem Roman von Friedrich Torberg als bester ausländischer Streifen für einen Academy Award („Oscar“ ) nominiert wurde. Es ist das erstemal in der Geschichte der Akademie, daß ein österreichischer Film nominiert wird.

Genau achtunddreißig Jahre und elf Monate früher, am 11. März,

1938, marschierten die Nazihorden brüllend durch die Straßen von Wien und proklamierten Österreich als die Ostmark des Dritten Reiches.

Ich war dabei.

Genau um fünf Uhr nachmittags, am 11. März 1938, kam ich aus dem damaligen Grand Hotel heraus und fand meine geliebte Ringstraße mit einer Unzahl von Hakenkreuzfahnen beflaggt. Und genau das zeigt der Film „38“ .

Und weiter zeigt der Film „38“ den fiktiven jüdischen Schriftsteller Martin, wie er verzweifelt nach einer Unterkunft sucht, wo er in den Tagen nach dem 11. März einen Unterschlupf finden könnte, um als Jude nicht verhaftet zu werden.

Und genau das passierte mir. Ich schlief am 11., 12. und 13. März 1938 bei Freunden, bei Bekannten, ja selbst bei Fremden, um als Jude nicht verhaftet zu werden. Am 14. März gelang es mir, nach der Schweiz zu fliehen. Martin, der fiktive Schriftsteller im Film „38“ , ist nicht so glücklich. Er wird erwischt, verhaftet, verschleppt — und verschwindet in der Nacht.

Genauso war es, und genauso wird es ohne Beschönigung im Film „38“ gezeigt. Ein paar mutige österreichische Filmemacher, Schriftsteller, Regisseure, Produzenten, Produktionsleiter, Kameramänner, Schauspieler und Schauspielerinnen brachten den Film „38“ auf die Leinwand, in die Kinos und schließlich zur Academy of Motion Pictures Arts and Sciences, wo er als bester Film des

Jahres nominiert wurde. Hurra für Österreich!

Wie bedeutsam, wie wichtig ist dieser Film für Österreich. Gerade heutzutage ist Österreich angegriffen, viel zu oft ins Zwielicht der Halbwahrheit getaucht worden. Nichts ist unwahrer als Halbwahrheiten; nichts ist gefährlicher als Insinuationen, und nichts ist zerstörender und vernichtender als Wahrheit zu beschönigen. Gott sei gedankt, daß Österreich ein Land ist, in dem es immer mutige Menschen gab, gibt und immer geben wird; und auch das zeigt der Film „38“ .

Vielleicht wird der Erfolg des Films „38“ wie ein frischer Wind das Negative der letzten Jahre hinwegfegen; vielleicht kann dieser Film bezeugen und die Welt überzeugen, daß es viele Österreicher gibt, die die Vergangenheit ohne Beschönigung und ohne Entschuldigung bezwungen haben und zu einem Schritt in die Zukunft ansetzen.

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