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Hegel — leicht und schwer gemacht

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Hegel. Ausgewählt und eingeleitet von Friedrich Heer. Fischer-Bücherei 86, Frankfurt-Hamburg. 243 Seiten. Preis 1.90 DM.

Vor die Aufgabe gestellt, ein fast ahnungsloses Leserpublikum in Hegels eisige und zerklüftete Gedankenwelt einzuführen, hat Friedrich Heer bewußt von jedem Vollständigkeitsbestreben Abstand genommen und in der von ihm getroffenen Auswahl vor allem Hegels geschichtsphilosophischen und religionsphilosophischen Ideen den Vorrang eingeräumt. Die Einleitung stellt zwar höhere Ansprüche an den Leser, aber auch hier werden die höchsten dialektischen Gipfel vermieden. Es ist also ein leicht-gemachter Hegel, dem der Anfänger hier begegnet, gleichzeitig aber lassen Einleitung und Auswahl die Ahnung aufkommen, daß nach diesem Aufstieg die eigentlichen Bergschwierigkeiten erst beginnen.

Hegels dialektische Ontotogie and die tho-mistische Analektik. Von Bernhard Lakebrink. J. P. Bachem, Köln. 503 Seiten. Preis 40 S.

Ohne die geistige Kapazität eines breiteren Leserkreises zu berücksichtigen, versucht der Verfasser die ohnehin so schwer verständliche Dialektik Hegels durch eine Konfrontation mit der ebenso schwierigen aristotelisch-thomistischen Analogie- und Proportionalitätslehre zu erhellen und teilweise dagegen Stellung zu nehmen. Im Anschluß an Haym, Tredelen-burg, Heyder, Paulsen und vor allem Nicolai Hartmann hat auch Friedrich Heer in seiner Einleitung auf eine gewisse Verwandtschaft zwischen Hegel und Aristoteles hingewiesen. Lakebrink setzt diese Vergleichsatbeit in ihrer thomistischen Verlängerung fort und kommt zu dem Ergebnis, daß trotz einer allgemeinen Uebereinstimmung im Prinzip des „Geltenlassens“ — wie Heer und Hartmann sich ausdrücken —, doch wesensverschiedene Grundansichten zu verzeichnen sind. Während Hegel die Gegensätzlichkeiten in eine höhere Einheit aufgehen läßt, entdeckt Thomas die Aehnlichkeit als das gegensatzmildernde Medium. Die transzendentale „similitudo proportionalitatis“ vermittelt alles mit allem und läßt doch ein jedes, im Gegensatz zur dialektischen Identifizierung, in seiner Eigenheit bestehen (S. 436). Die Neuscholastik zeigt immer deutlicher, daß die thomistische Analogielehre, die so lauge verwahrlost wurde, der „cardo“ dieses Denkens und somit der eigentliche Standort ist, von wo eine fruchtbare Auseinandersetzung mit Hegel, dem Existentialismus, kurzum mit der modernen Philosophie angebahnt werden kann. Nur darf man auf dieser eisigen, aber glasklaren Ebene weder einen leichtgemachten Hegel noch einen popularisierten Thomas erwarten, denn man betritt hier das Gebiet der Analogie, das, wie G. Söhngen sich in seiner vorzüglichen „Philosophische Einübung in die Theologie“ ausdrückt, „ein weites Feld ist und nicht leicht zu bestellen“.

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