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Anfang und Ausgang eines Titanen

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C. W. F. HEGEL: SÄMTLICHE WERKE. Herausgegeben von Hermann G1 o c k n e r. 1. Band: Aufsätze und andere Schriften aus der Jenenser Zeit. XXV und 547 Seiten. Preis 24.60 DM. — 4. Band: Wissenschaft der Logik. Erster Teil: Die objektive Logik. 721 Seiten. Preis 31.70 DM. Frommans Verlag, Stuttgart.

Erster und vierter Band der Jubiläumsausgabe bezeichnen Anfang und Ende Hegels (da er nach Vollendung der Objektiven Logik starb). Wie es kein Zufall ist, daß seine Dissertation „De orbitis Planetarum“ unmittelbar in den objektiven Weltraum stößt, so ist es ebenso kein Zufall, daß sein letztes Werk eine objektive Logik ist, der keine subjektive Logik (die sonst als einzige Logik gilt) mehr folgt. In diesem Symbol von Anfang und Ausgang Hegels manifestiert er sich unwidersprechlich als Philosophen des kosmisch und ontisch Objektiven, dem dann auch nur ein Christentum der „Gemeinschaft“ (gegen subjektive Religiosität) und des „Schicksals“ (gegen moralistische Religiosität) entsprechen konnte. Aber es ist, gemäß den entscheidenden Früharbeiten über die „Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems“, und vor allem über „Glauben und Wissen“, ein Gemeinschafts- und Schicksalsobjektivismus, der in seiner stählernen Härte jeweils „das absolute Leiden oder den spekulativen Karfreitag“ zu seinem Abgrund“ hat (I, 433). Der scheinbar kalte Pan-logist verrät hierin seine Abkünftigkeit von Jakob Böhme, ja durch Böhme hindurch mit Johannes vom Kreuz, wenn er zum Ausgang von „Glauben und Wissen“ geradezu hymnisch mystisch vom „Denken als Unendlichkeit und negativer Seite des Absoluten“ spricht, „welche die reine Vernichtung des Gegensatzes oder der Endlichkeit, aber zugleich auch der Quell der ewigen Bewegung oder der Endlichkeit, die unendlich ist, d. h., die sich selbst vernichtet — aus welchem Nichts und reinen Nacht der Unendlichkeit die Wahrheit als aus dem geheimen Abgrund, der ihre Geburtsstätte ist, sich emporhebt —, erkannt wird“ (I, 432).

2. Band: Entwicklung und Schicksal der Hegel-schen Philosophie. X und 568 Seiten. Frommans Verlag, Stuttgart.

Hermann Glockner, dem wir die Jubiläumsau-rgabe von Hegels Sämtlichen Werken verdanken, hat. gerade im vorliegenden zweiten (verbesserten) Band seiner Hegel-Monographie das besondere Verdienst, die Grundmotive Hegels so herausgearbeitet zu haben, daß sie in ihrer tatsächlichen Gegensätzlichkeit zueinander verbleiben — getreu der ersten Habilitationsthese des jungen Hegel „contradictio est regula veri, non-contradictio falsi“ (240). Inhaltlich bleibt darnach der nicht weiter auflösbare Widerspruch zwischen einem „Panlogismus“ und „Pantragismus“ des Hegeischen Weltbildes: einem Panlogismus eines „absoluten Geist“ im „triangulum“ als der „lex men-tis“, gemäß der „idea“ als „synthesis infinit! et finiti“ (nach der dritten und sechsten Habilitationsthese [241 f.]) — und einem Pantragismus, der das „Gesetz“ ins „Schicksal“ wandelt und eine „indi-viduale Entfaltung“ in die „Notwendigkeit des Selbstopfers“ und die klare „Gerechtigkeit“ in eine „Liebe unendlicher, Vereinigung der unendlichen Unter-• schiede“, die, wegen. ihrer Unerfüllbarkeit, ein .„Zürnen der Liebe“ wird, bis ins Symbol des Kreuzes in . einem christlichen Pantragismus (105/17, 566 f.). Das entsprechend Formale ist dann Hegels „Ineinander von Verschiedenheit und Einheit“ (wie Hegel es von den altkirchlichen Trinitätsformem her übernimmt: 240). Damit fällt natürlich ein systematisierender Hegelianismus. Aber durch die Trümmer blickt das Antlitz Nikolaus' von Kues. Seine „coincidentia oppo-sitorum“ ist der erlöste Hegel.

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