Gegen Ministerien wie Staubsauger

19451960198020002020

Eine Verwaltungsreform in Österreich kann nur dann er-folgreich sein, wenn es gelingt, die Ministerien abzuschlanken.

19451960198020002020

Eine Verwaltungsreform in Österreich kann nur dann er-folgreich sein, wenn es gelingt, die Ministerien abzuschlanken.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform in Österreich ist prinzipiell unbestritten. Die Staatsorganisation quillt über von Mehrfachzuständigkeiten, Doppelgleisigkeiten, Aufsichts- und Kontrollbürokratien. Die letzte tiefgreifende Verwaltungsreform hat 1925 stattgefunden, als es - über Druck des Völkerbundes als Finanzier eines für das notleidende Land lebenswichtigen Kredits - zu einer Reform des Verwaltungsverfahrens gekommen ist, die heute noch ein Vorbild darstellt. Zur Überwachung der Durchführung der zahlreichen weiteren Reformmaßnahmen hatte der Völkerbund übrigens einen Schweizer Experten namens Zimmermann bestellt, der damit der erste Weise war, der Österreich "beobachtete".

Die von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer bestellte Aufgabenreformkommission hat nun einen Bericht erstattet, in dem zahlreiche Vorschläge für Reformmaßnahmen aufgelistet sind. Man kann vielen Punkten vorbehaltlos zustimmen, aber die eigentliche Arbeit wartet noch: Die Auflösung der Landesschulräte, die zwar so heißen, in Wahrheit aber - ein gewisser Etikettenschwindel - Bundesbehörden sind, vorzuschlagen, ist eines. Sie aufzulösen und ihre Aufgaben in die Landesverwaltung zu integrieren, ist ein anderes. Immerhin fallen mit der Übernahme dieser Aufgaben, wenn man nicht unterstellen will, dass diese Behörden bisher überhaupt nichts Nützliches erledigt haben, Kosten an, die nunmehr die Länder zu tragen haben. Das ist bei zahlreichen weiteren Vorschlägen der Aufgabenreformkommission, wie zum Beispiel bei der Verländerung der Bundesstraßen, genauso der Fall. Die Verwaltungsreform setzt daher noch intensive Verhandlungen über eine Kostenabgeltung voraus, was die Kommission auch selbst angemerkt hat.

Ein gewisses Licht am Horizont zeichnet sich bei dem Projekt ab, die Bezirkshauptmannschaften zur zentralen Anlaufstelle in der Verwaltung aufzuwerten. Diese Behörden fungieren bereits bisher in zahlreichen Angelegenheiten als erste Instanz. Jetzt geht es darum, Zuständigkeiten von den Bundesministerien und den Ämtern der Landesregierungen auf die Bezirkshauptmannschaften zu verlagern. Auch hier wird es allerdings zu Kostenverschiebungen kommen, wenngleich nicht so massiv wie bei der Verländerung der Bundesstraßen.

Insgesamt kann eine Verwaltungsreform in Österreich nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Minis-terien abzuschlanken und auf die Wahrnehmung von Kernaufgaben zu reduzieren. Es gibt vermutlich keinen anderen Staat der westlichen Welt, von anderen Bundesstaaten ganz zu schweigen, die eine derart aufgeblähte Ministerialbürokratie haben wie Österreich. Die Einsicht, dass Aufgaben nach unten und nicht nach oben verlagert werden müssen, hat bisher noch nicht allzu weit um sich gegriffen. Vielmehr sehen sich die Ministerien als Staubsauger für alles, das ihrem Machterhalt und der Perpetuierung ihrer noch aus der Monarchie übernommenen, aufgeblähten Verwaltungsapparate dienen könnte.

Die Aufwertung der Bezirkshauptmannschaften wäre eine bürgerorientierte Verwaltungsreform und ein Kontrapunkt zu jenen organisatorischen Kahlschlägen in den Dienststellen vor Ort, die in letzter Zeit zum gängigen Instrumentarium der Ministerien geworden sind. Dabei werden Dienstleistungen vor Ort auf Kosten der Bürger reduziert, damit die Schreibtische in den Zentralstellen erhalten bleiben (man denke in diesem Zusammenhang an die geplante Neuorganisation des Gerichtswesens oder der Finanzämter).

Gewarnt werden muss vor der Erwartung, durch eine Verwaltungsreform schnelle Einsparungen (im Neudeutsch der Reformer "quick wins" genannt) erzielen zu können. Durch eine sorgfältige Verwaltungsreform können mittel- und langfristig zweifellos enorme Einsparungen erzielt werden, "quick wins" sind nicht drinnen.

Der Autor ist Direktor des Institutes für Föderalismus in Innsbruck.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung