Integration: Nicht genügend

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Der europäische Migrationspolitik-Index MIPEX offenbart es einmal mehr: Österreich ist - mit Lettland - das Schlusslicht Europas.

Pech für die Integrations-"Experten" von Günther Platter bis Alfred Gusenbauer. Da rufen die Spitzen der heimischen Politik eine Integrationsplattform ins Leben und inszenieren dazu einen, wie es auf Neusprech heißt, Kickoff. Doch just an jenem Montag wird auch der europäische Migrationsindex MIPEX 2006 veröffentlicht, der alle zwei Jahre die Integrationspolitik der EU-Mitglieder samt Norwegen, Kanada und der Schweiz miteinander vergleicht. Ein PISA für die Ausländerpolitik also - und auch hier ein Waterloo für Österreich, liegt es doch nur auf Platz 27, bloß der MIPEX für Lettland ist noch inferiorer.

Überraschen wird solch Ergebnis keinen Beobachter, denn das gegenwärtige Fremdenrecht reicht bestenfalls zur Beschämung, fußt aber keinesfalls auf den Kriterien einer rationalen Politik. Die Diskussionen um den "Fall Arigona" machten ja offenbar, dass hier einiges aus dem Lot geraten ist. Bei aller Skepsis gegenüber der Boulevardisierung eines politischen Problems traten hier die Brutalitäten der gegenwärtigen Rechtslage zu Tage: Am Ort, wo alle Beteiligten sich über die Integration einer Familie einig sind, kann nichts entschieden werden, denn dem Gesetz wird von oben her zur Geltung verholfen. Und dem Innenminister, dessen Partei sich gern als Retterin der Familie geriert, fällt, wenn es sich um Migrant/inn/en handelt, kaum auf, wie sehr hier die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafft: In Gottes Namen dürfen, weil der mediale Druck groß ist, Mutter und Tochter Zogaj im Land bleiben - dass der abgeschobene Teil der Familie wieder zurückkehrt, sei "nicht vorgesehen", so Platter knapp in der ZIB 2.

Immerhin dämmert es der Politik, dass etwas geschehen muss. Die Überlegung, mit der Mitwirkung von Landeshauptleuten und Bürgermeistern in Aufenthaltsfragen Entscheidungsebenen nach unten zu verlagern, ist ein richtiger Ansatz; abzuwarten bleibt, ob die oberste Politik-Ebene tatsächlich imstande ist, hier Kompetenzen zu delegieren.

Dass zusätzlich die Altlasten aufzuarbeiten sind, wurde an dieser und vielen anderen Stellen in diesen Tagen längst thematisiert: Ein Bleiberecht für seit Jahren integrierte Migranten ist vonnöten, ebenso wie schnellere Verfahren im Asylbereich; letzteres heißt auch, dass die Behörden mehr Geld brauchen.

Bekanntlich wird Österreich in wenigen Wochen keine Schengengrenzen mehr haben, was auch in der Migrationsfrage zu einer Entlastung führen wird. Aber anstatt diese Tatsache zum Anlass zu nehmen, das Fremdenrecht auf eine rationale Basis zu stellen und nicht von der Angst diktieren zu lassen, jede/r potenzielle Migrant/in stelle eine Gefahr für Österreich dar, steht hier - von der Politik unwidersprochen - im Raum, dass nun erst recht die "Fremden" nach Österreich einfallen könnten.

Wie man es dreht und wendet: Das, was unter dem Schlagwort Integration subsumiert wird, ist die Herausforderung aktueller Politik. Und müsste eigentlich in beiden Regierungsparteien Chefsache sein. Dass die diesbezüglichen Agenden aber primär im Innenministerium konzentriert bleiben, spricht Bände: Integration verkommt in solcher Sichtweise zum vornehmlichen Problem der Sicherheitspolitik. Dass aber die Bildungs-, Sozial-, Arbeitsmarkt-, Frauen-oder Religionspolitik mindestens genauso betroffen ist, wird nicht sichtbar. Eine Institution wie etwa ein Integrations-Staatssekretariat (das aber keineswegs im Innenministerium angesiedelt sein dürfte!) wäre jedenfalls ein Zeichen in diese Richtung.

Günther Platter, der hier wie seine Vorgänger eine Betonmauer wider vernünftige und menschenwürdige Veränderung aufrichtet und verteidigt, ist aber bei weitem nicht der einzige, den man hier kritisieren muss. Auch die Kanzlerpartei mauert an dieser Wand kräftig mit, und Alfred Gusenbauers Integrations-"Politik" nach dem Prinzip "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" ist mindestens so unappetitlich wie das Agieren seines Koalitionspartners.

Es mag ja eine Binsenweisheit sein, dass gelingende Integration(spolitik) dem Wohl einer Gesellschaft dient. Aber es bleibt dennoch - vorerst - ein Traum, dass Österreich beim Migrationspolitik-Index MIPEX 2008 nicht mehr Kandidat für ein "Nichtgenügend" ist.

otto.friedrich@furche.at

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