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Angeblich ist er ja eine Art Weltkulturerbe: der Wiener Schmäh. Vor allem die Deutschen scheinen ihn zu lieben. Seltsam. Fährt man nämlich umgekehrt als Wiener nach München oder Berlin, dann ist man von der Freundlichkeit der Deutschen förmlich überrumpelt.

Keine grantelnden Kaffeehauskellner, die den Kunden gern belehren und wie vom Erdboden verschluckt sind, wenn man dringend zahlen möchte. Kein Bäcker, der die Kundin abweist, die eine Minute nach 18 Uhr noch Brot kaufen möchte. Keine Verkäuferinnen, die sich in ihrer Konversation gestört fühlen, wenn man nachfragt, ob 's das Kleid auch in schwarz statt braun gäbe. Kein Straßenbahnfahrer, der vor dem heranhastenden Fahrgast die Türen schließt, um davon zu rumpeln.

Der Wiener Schmäh braucht dringend einen Relaunch. Mag sein, dass ihm früher mal was Gemütlich-Operettenhaftes anhaftete. Doch jetzt ist er viel zu oft nur mehr grob. Dass Zürich doppelt so groß, aber nur halb so lustig wie der Wiener Zentralfriedhof sei, ist ein Mythos, von dem die Stadt schon lange zehrt. Mag sein, dass sie zu (betuchten) Touristen noch freundlich ist, ihren Einwohnern zeigt sie immer häufiger ein mürrisches Gesicht. Dienstleistungsmentalität muss man hier wieder lernen.

Mit einem "have a nice day" wird man in den USA als Kundin freundlich verabschiedet. Alles nur künstlich und angelernt? Na und? Besser als die "Baba, und fall net"-Mentalität in der schönen Donaustadt! Wer in der Wiener U-Bahn laut zu lachen wagt, wird als feindliches Objekt identifiziert, das es mit bösen Blicken zu töten gilt. Aber das ist wohl immer schon so gewesen in Wien. Schließlich ist man nirgendwo sonst so fest überzeugt, dass sie nimmer lang steht, die Welt.

Die Autorin ist Innenpolitik-Ressortleiterin der "Presse".

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